Von den rund 10 Millionen Frauen der DDR trugen ungefähr 4,5 Millionen täglich oder nahezu ein sogenanntes Rädedet, eine Kugel aus Kordmaterial, die vor den Scheideneingang platziert wurde. Die genauen Ursprünge dieser Gepflogenheit verlieren sich im Dunkel der nachkriegsdeutschen Frühgeschichte, es wird jedoch vermutet, dass es Lausitzer Bollenklöpplerinnen waren, die Ende der 40er Jahre, als aufgrund kriegsbedingten Männerdefizits und in einer Reaktion auf die starke Inanspruchnahme der verbliebenen Männer beim Aufbau der Republik auf weiblicher Seite sich ein Sexualüberschuss aufzubauen begann, als erste auf die Idee verfielen, kleine Kügelchen in die Unterwäsche zu geben, um den oft eintönigen Alltag, der von Wiederaufbau und Produktion geprägt war, einen Hauch privaten Glücksempfindens zu verleihen. Blieb es zunächst ein lokales Phänomen, dass vor allem auf den Bautzener Raum begrenzt war, brachte die 2. Spartakiade 1966 die Wende: Vermutlich durch eine Zittauer Betriebssportgruppe von Mittelstreckenläuferinnen mitgebracht, fanden sich plötzlich im lebenshungrigen Ostberlin begeisterte Kopistinnen dieser diskreten Wäschebegleiter. In dieser Zeit setzte sich auch das gerade in verstärkten Gebrauch gekommene Material Kord als Nonplusultra eines modernen Rädedets durch - modern deshalb, weil archäologische Funde im Raum Magdeburg, darunter großangelegte Latrinenuntersuchungen, den Gebrauch von Woll- oder Stoffkugeln zu beschriebenem Zweck bereits bis ins 14. Jahrhundert datieren lassen. Muss die Geschichte des Rädedets nun neu geschrieben werden? Auf unsere Anfrage teilte uns das Rädedet-Museum in Guben nur lakonisch mit, jedes Rädedet sei eine Bereicherung der Unterwäsche, aber nicht jede Bereicherung der Unterwäsche sei zwangsläufig ein Rädedet; eine Entgegnung, die nur auf den zweiten Blick scheinbar Sinn macht.
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