Am traurigsten bin ich, wenn ich zu Hause bin, wo alles so steril ist, daß man bald auftreten muß nur auf Zehenspitzen, ist ja alles soooo sauber, wenn es heiliger Abend ist, und ich gehe runter ins Wohnzimmer, viele Geschenke sind da für mich, ist ja ganz toll, und wenigstens an diesem Abend beherrscht meine Mutter einigermaßen ihr Wechselbad-Temperament, so daß man meint, vielleicht kannst du ja heute Abend mal Deine (also meine) eigene Schlechtigkeit vergessen, aber es knistert irgendeine Spannung in der Luft, so daß man weiß, es wird ja doch wieder Scheiße; wenn man wenigstens ein Weihnachtslied singen könnte, und die Mutter sagt: »Nun sing doch wenigsten mal ein Weihnachtslied«, und ich sage: »Ach laß doch, kann ich nicht, da bin ich doch auch viel zu groß für«, aber denken tu ich: »Kindermörder singt Weihnachtslieder, da soll man nicht verrückt werden.« Ich packe meine Geschenke aus und »freue« mich, zumindest tue ich so. Mutter packt ihre Geschenke aus, die von mir, und freut sich wirklich.
Jürgen Bartsch 1969
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