»...Wenn im Schulunterricht irgend jemand was Freches oder Überspitztes sagte, kam häufig, meist aus der Reihe der Mädchen, die vorwurfsvolle Frage »Ist das nicht Zynismus?« Der Lehrer sagte dann immer: »Nein, das ist ein Sarkasmus.« Näher wurde da nie drauf eingegangen, vielleicht hatte der Lehrer den Unterschied auch nicht ausformuliert parat und wollte vor den Schülern nicht ins Herumdrucksen kommen. Klar war nur: Zynismus schlecht, Sarkasmus gut. Das reicht ja auch als Info für ein paar alberne Teenager. Doch selbst dieser Wertungsunterschied ist heute kaum noch bekannt. Die Begriffe Zynismus und Sarkasmus werden flächendeckend, überall, in Medien sämtlicher Art miteinander verwechselt. Dabei sind die Unterschiede einfach und klar. Zynismus ist ein Wesenszug, während Sarkasmus das Resultat von Formulierungskunst ist. Zynismus ist ein Resultat von Enttäuschung und Vereinsamung. Er besteht im Negieren aller Werte und Ideale, im Verhöhnen der Hoffnung, im Haß auf jedes Streben nach Besserung. Der Zyniker glaubt nicht, daß etwas zu bessern sei. Er sagt »Es geht ja sowieso nur immer um Sex und Geld, die Menschen sind sowieso schlecht, es wird sowieso alles den Bach runtergehen, warum soll ich nicht die Bild-Zeitung lesen, es ist doch sowieso alles egal.« Das Lieblingswort des Zynikers ist »sowieso«. Als Zyniker kehrt man aus Kriegen zurück, der Sarkast kehrt allenfalls aus seinem Weinkeller zurück, und mit der guten Flasche dort geholten Rotweins setzt er sich in seinen Sessel und denkt sich neue, teils spitze, teils mürrische Bonmots aus, wobei er sehr viel Lebensfreude empfindet und aussendet...«
(Max Goldt)
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