Oft wird die Frage gestellt, unter welchen Umständen Menschen zu sadistischen Tötungsmaschinen werden, selbsternannt oder im Auftrag eines Staates, einer Organisation. Auf dem Fuß folgt fast immer die Antwort: Das könnte jedem von uns passieren. Bedenklich an dieser Ansicht ist, daß da manchmal eine Art schulterklopfendes Verständnis für die Täter mitschwingt: Das kann doch jedem mal passieren (daß man einem Dissidenten die Zunge rausschneidet, ihn lebend aus dem Flugzeug wirft, seine Kinder vor die Wand wirft). Ungern wird die Frage gestellt, warum es Menschen gibt, die nicht zu Sadisten werden, sich konsequent den Vernichtungsmaschinerien verweigern, die Ausübung von Machtritualen ablehnen. Ungern gestellt, weil die Antworten, die sie zutage fördern würde, kaum einer Überzeugung zum Vorteil gereichen würden. Denn nichts begünstigt die Bereitschaft zur Gewalt so wie weltanschauliche Überzeugungen, Leidenschaften und Besitzdenken, die in mehr oder weniger ausgeprägter Form und mit veränderlichen Anteilen praktisch jede existierende Gesellschaftsform, vom Kopfjägerstamm bis zur vernetzten Gesellschaft konstituieren.
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