gestern bin ich das erste mal seit ziemlich genau zwei jahren wieder einmal mit dem bus in die stadt zum einkaufen gefahren.
ich stieg schon am stadtrand aus um den rest des weges in die stadt hineinzulaufen. ich wollte einen teil meiner alten wege noch einmal laufen, sehen, welche öffentlichen toiletten noch zugänglich sind, in welche geschäfte man noch als einfacher normaler mensch ohne zertifikat hinein darf.
die sechs lächerlich kleinen kentucky chicken flügel die haben ja mal einsneunundneunzig gekostet, das ist ein paar jahre her. nun werden sie als sonderangebot zu dreineunundneunzig beworben. auf der schiersteiner habe ich fünfzig Milligramm Lorazepam in der Apotheke zu Siebzehnfünfzig gekauft. das macht dreihundertfünfzigtausend pro Kilogramm Lorazepam. Da lohnt sich auch die Verpackungsinfrastruktur drumherum. mein erster Gang war ins iranische Geschäft auf dem Kaiser Friedrich Ring nahe der Rheinstraße. Zwei Gramm Safran zu acht euro und zweihundert Gramm rote Berberitzen zu dreivierzig. die vier gramm safranfäden kosten fünfzehn. sie sind echt, rot und knackig und haben aroma. also keine fälschung. gleich hinter dem laden eine tükischer eckladen mit getränken, zwei nulldreiunddreissiger bier, das billigste, sage ich, der verkäufer sagt, das billigste ist das nullfünfer das kostet achzig cent, ich sage, das nulldreiunddreissiger genügt, zwei davon, und bezahle drei euro. der rucksack wird ein stückchen schwerer. auf der insel der rheinstraße lese ich einen einkaufszettel auf dessen rückseite von einem Notenblatt stammt. Ich habe Bauchweh. Bauchweh mag ich gar nicht. wo ich doch heute morgen noch hehel rief. eine art seltsames Kichern bei dem ich mir einbilde gerade gut zu leben und fröhlich zu sein. ein sehr volatiles Empfinden, aber weshalb es nicht akzeptieren wenn es sich gerade einstellt. Im besten falle ist das bauchweh auch nur ein baldiges Kacken müssen. ich stecke das Notenblatt mit dem Einkaufszettel in eine meiner Jackentaschen und will es später in einem einsameren Moment lesen und sehe es als Zeichen heute auch mal wieder mein Notengeschäft zu besuchen. In der Sparkasse hebe ich hundertneunzig ab von den zweitausend vorhandenen. und nehme mir vor heute so richtig was auszugeben. In der Buchhandlung nebenan haue ich gleich die ersten sechsundzwanzig aus dem fenster indem ich auf völlig gut Glück mir den Safranski einzeln sein erwerbe, ich habe wohl seit jahrzehnten kein Buch im normalen Handel mehr erworben. Ich ignoriere die Blicke der Verkäuferin in meinem Alter völlig, sage, ich hab den mal im Fernsehen reden gehört, also manchmal hatte ich richtig Schwierigkeiten allem zu folgen was er sagte, reden kann der anscheinend. gleich danach, drei pack Zigaretten im Kiosk, eine unsichtbar in einer ecke Hockende erhebt sich mühsam vom stuhl, viele kommen wohl nicht hier hinein, noch zwanzig emesan aus der apotheke, auch eine dicke die sich mühsam bewegt und müde ausschaut, auch hier keine publikum, das emesan sofort griffbereit in der ersten schublade, ich sah diese frau auch schon in erbach nahe eltville, ob es Apothekenhopping gibt auch beim personal, sicher täusche ich mich mal wieder. nun, Lorazepam, Emesan, Zigaretten, Bier, safran, Berberitzen. Geld abgehoben. Was nun. ich stehe am Polizeipräsidium und kuck mich bißchen um. Gleich fährt ein Polizist mit Elektroroller in der Nähe vorbei. Ich schaue ihm ins gesicht. Nun hinein in die Innenstadt. Karstadt heißt jetzt Galeria. ich schlendere mit Rauschebart und schulterlangem wirren Haar durch die große Parfümabteilung in der Hermes Dior Chanel in Regalen um wahllos nach dem Teuersten Deosticks mit den schönsten bunten Farben zu greifen, eau orange verte hat es mir angetan nur so vom namen, ein guter deostick geht leicht über die dreissig euro, man gönnt sich ja sonst nix, ich packe drei davon in die hände und laufe kassensuchend durch die abteilung. über hundert euro für drei deosticks, naja, karte hinhalten, vier zahlen eintippen, und sie könnten mir ein paar Proben mitgeben, es können ruhig Damendüfte sein, ich habe sieben neffen und nichten. Sie gibt drei Proben, das ist geizig, bei der letzten Parfümverkäuferin in Eltville bekam ich bei ähnlichem Umsatz eine ganz Hand voll Proben, also mindestens sieben. weiter, ich sehe Damenstrumpfhosen von Falke für sechsunddreissig, Baumwolle, wolle elastan mischgewebe feinripp, ich packe drei stück ein und laufe wieder zu einer kasse, karte, eintippen, die wollte ich schon lange haben, tschibo hat schon lange keine guten Strumpfhosen mehr, Flohmärkte gibts keine mehr, meine alten sind brüchig oder löchrig. Und ich laufe gerne darin herum. eigentlich hätte ich zehn kaufen sollen. solche ein Kontostand hatte ich bisher nur etwa alle zehn Jahre im Durchschnitt. aaber die drei waren die einzigen in der Größe vierzig zweiundvierzig. Ich hoffe das sind die richtigen und die sind eine zeitlang haltbar. eigentlich wollte ich welche mit mehr anteilen Wolle. Im Friseurladen hole ich mir mein Schampoo, Kerastase, das riecht nach irgendeinem chemischen zusatz den ich gerne riechen mag. das ist der einzige Grund meiner Kaufentscheidung. Dann Brotladen. Das guite frische Kümmel auf neun Millimeter geschnitten, ich gönne mir den Aufpreis den das Schneiden kostet, das tat ich früher nie, das erste geschäft mit Schlange vor der Tür. Das Klo im Rathaus, hoffentlich ist das offen, das Pipi drängt, sie bauen den Weihnachtsmarkt davor auf, ich marschiere da hinein wie wenn ich unbedingt dazugehöre, ich kenne den Weg, kurz vor der Klotür geht es in den Sanitätsraum rechts hinein, da steht einer und sagt als ich forsch vorpresche, wollen Sie hier hinein, ich wortlos vorbei in den Toilettenbereich. Da hockt anscheinend einer hinter einer Tür weil man ein Grunzen hört, ich zielstrebig zum Pisspott und heidewitzka, das wurde zeit, kein Handtuch, keine Papiertücher, keine Gebläse, aber finger nass, ich nehme ein noch ziemlich unbenutzt aussehendes Papier aus dem Abfall unter dem waschbecken und trockne mit spitzen fingern die fingerspitzen und sehe das ich wieder rauskomme. nun zum notengeschäft. ich ignoriere den Bettler davor und wühle mich durch fünf antiquarische Kisten denen ich sechs Hefte entnehme die zusammen sechsunddreissig kosten und handele den Verkäufer auf dreissig herunter nicht ohne die bemerkung, flohmarkt ist ja leider keiner mehr, da wäre das noch billiger. er, ja, im Moment ist schwierig. vor der Tür als ich rausgehe, wieder ein dick uniformierter blauer Polizist. ich schlendere über den Marktplatz. Schilder weisen darauf hin an Markttagen nicht mehr als nötig zu verweilen und an Ständen keine Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Ich gehe in die Lebensmittelabteilung des Karstadt der nun Galeria heißt. Aber es wird wohl ewig noch für mich die Lebensmittelabteilung des karstadt sein. ich kenne den Metzger dort und die Verkäuferinnen. Alles ist etwas teurer, aber die Auswahl ist auch gut. seit langem ist in ganz eltville und Umgebung und in allen Rewemärkten zum Beispiel der rote Johannisbeergelee aus, nicht mehr zu bekommen seit Herbst zweitausendneunzehn. Erst sagen sie immer, das kommt wieder. aber auch jetzt, überall gibt es nur noch den schwarzen Johannisbeergelee. Dafür brauche ich den roten für meine Johannisbeergeleetaler. Und siehe da, ich frage eine Dame mit Gerät in dem sie lange etwas eintippt, erst stehe ich etwas drei oder vier meter ihr zugewandt im Gang wo sie offensichtlich mit intensivem Tippen in das kleine Gerät beschäftigt ist und sich mit keiner Kopfbewegung mir zuwendet, man sieht sich ja trotzdem im Winkel, sie aber macht keinerlei Anstalten, ich denke, lass ich sie erst mal fertig tippen, will sie nicht durch meine frage unterbrechen während sie konzentriert tippt, aber sie tippt und tippt und schiebt den Bildschirm, und es dauert, und nach etwas längerer zeit frage ich dann doch, kennen Sie sich bei den Marmeladen aus, und sie sagt sofort ja, ich suche roten Johannisbeergelee, das geschäft hat ein ganzes volles regal voller marmeladen, sie bückt sich gezielt, unterstes Regal, bonne maman, dreineunundvierzig. Nunja. die gleiche Menge kostete von der Firma Ja als es sie noch gab neunundneunzig Cent. Das ist keine Inflation von vier Prozent. jedenfalls nicht beim roten Johannisbeergelee. ich nehme eine. eine flasche weiswein entre deux mers, passt zu fisch, einen Bachsaibling, zwei Matjesfilets, zwei Entenschenkel, zwei Kilo Meersalz vom Atlantik kamen noch dazu, der Rucksack ist voll, Safranski, Safran, Berberitzen, Emesan, Lorazepam, zwei Bier, Drei Strumpfhosen, drei Deosticks, zwei Kilo Salz, Entenschenkel, Bachsaibling, Hering, wein. Das Glas roten Johannisbeergelee lege ich an oberste Stelle und ziehe den oberen Strick rund um den Rucksack nicht wirklich zu, was sich als fehler herausstellen sollte. der Bus fährt zurück, ich muß mich etwas beeilen, vorher muß ich nochmal pinkeln, der Umweg über das rathaus würde mich den Bus verpassen lassen, aber im kleinen Einkaufszentrum in Polizeipräsidium nahe der Bushaltestelle Platz der Einheit sind Klos, die kosten nur fünfzig Cent Einwurf, mir egal, sowas hab ich noch nie gemacht, aber ich will mit gutem Gefühl im Bus zurück fahren und ich habe noch fünfzig Cent, also hinein, ein ganzes kleines Klo und zwei Pinkelbecken für mich alleine warten hinter der Tür die in einem abgelegenen Gang sich befindet wo sonst sich kein mensch aufhält. Ich weis nicht weshalb, aber ich setze den schweren Rucksack mit einem Kleinen Schwung ab, wohl weil ich dann besser und leichter beim Pinkeln stehe und beim Abschwingen des Rucksackes höre ich ein Scheppern und klirren auf dem gekachelten Boden und oh schreck, mein Glas rote Johannisbeergelee. Gut, was soll man sich aufregen, das sind so Dinge wo man sich schrecklich aufregen kann oder auch völlig ruhig bleiben, ich entscheide mich für das zweite, wa soll es, ich mache jetzt gar keinen aufstand, lauf putzplan an der wand wird hier jede halbe stunde geputzt, ich mache mein pipi, setze den Rucksack auf, beschließe eine stunde später zurück zu fahren, verlasse den tatort mit der roten soße auf dem Boden, und beschließe noch einmal in den karstadt zurückzukehren um nun zwei Glas roten Joahannisbeergelee zu kaufen. Und den Rest der Stunde nutzte ich für den Besuch im Notengeschäft. Ich erwarb unter anderem die Klavierfassung eines Duetts aus der operette Der fidele Bauer „Heinerle Heinerle hab‘ kein Geld“ mit einem text von Victor Léon den mein ganz kleines Brüderchen einst mit Mutter um die Adventszeit in irgendeiner katholischen Feierstunde aufgeführt hat.
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