Das Gegenteil der Residenzpflicht ist der sogen. »DiMiDo«. Ab einer gewissen Höhe in der Hierarchie der Arbeitswelt gilt nämlich diese komische Arbeitszeit-Scheisse nicht mehr, sondern die »freie Dienstzeiteinteilung«. Der Dienstverpflichtete muß nicht unbedingt von Montag bis Freitag und von morgens bis abends an seinem Schreibtisch sitzen. Ist ja schön so, und in gewisser Weise auch notwendig, da es ab einer gewissen Höhe der Dienstleistung auch keine scharfe Trennung mehr zwischen Arbeits- und Freizeit mehr gibt. Aber diese Freizügigkeit führt auch zu bedenklichen Blüten, zu denen der »DiMoDo« gehört.
Er ist nur von Dienstags bis Donnerstags an seinem Arbeitsplatz, und wohnt woanders. Dadurch zeigt er schon allen, daß ihm seine Arbeit einen Umzug nicht wert ist, was den DiMiDo von vorneherein mit einem Malus versieht. Montagsabends kommt er an, und hieft die Klappboxen mit Akten in sein Appartment, daß er sich gemietet hat, und am Dienstag morgen sitzt er um 7.00 an seinem Schreibtisch, und keult wie verrückt. Das muß er auch, weil: wofür andere 5 Wochentage zur Verfügung haben, will er in 3 Tagen geregelt bekommen. Da muß man ran ! Und das ist aber total Scheisse für die Akzeptanz unter den Kollegen, die erst später kommen, wohlausgeschlafen und gut gefrühstückt. Der DiMiDo hat statt dessen löslichen Kaffee in seinem kargen Appartment in sich hineingekippt, und mampft am Schreibtisch Müsli-Riegel oder Fleischkäs-Brötchen, je nachdem. Er hat nie Zeit für eine Tasse Kaffee oder gar ein gemeinsames Mittagessen - weil, siehe oben. Bald sieht er ein, daß so vieles an ihm vorbeiläuft, was seine Kollegen untereinander und mit Vorgesetzten im Restaurant und bei einer Tasse Kaffee, vielleicht auch mal einem Cognac so auskaspern. Also will er mittun. Aber wer beim Kaffee ständig auf die Uhr sieht, und mit den Fingerspitzen trommelt, und im Restaurant um neun schon geht, weil er nochmal an den Schreibtisch will/muß - der ist nun mal nicht sonderlich beliebt. Und weil der DiMiDo merkt, daß er von seinen residierenden 5-Tage-Wochen-Kollegen nicht wirklich akzeptiert wird, ihm viele Hilfsmittel und Schleichwege verborgen bleiben, und er deswegen stets den harten und dornigen »Dienstweg« gehen muß, erhöht sich sein Arbeitspensum nochmals. Er sitzt schon um 6.00 an seinem Schreibtisch, und protzt mit gespielten Ärger, daß man hier in diesem Sauladen um 7.00 noch niemanden erreichen kann. Und daß er manchen Rückrufbitten seiner Kollegen und Vorgesetzen erst um 23.30 nachkommt, trägt auch nicht gerade zu seiner Beliebtheit bei. Und für seine Mitarbeiter ist der DiMiDo sowieso ständig auf der Flucht, und nie zu sprechen.
Nur Donnerstags, so ab etwa 17.00 ist der DiMiDo gut gelaunt, weil er sich auf den Heimweg vorbereitet, und schon wieder Klappboxen mit Akten in sein Auto gehievt hat. Sadisten unter seinen Kollegen und Vorgesetzten setzen daher meetings, die auch der DiMiDo nicht schwänzen kann, gerne auf Donnerstag 18.30 an - »und nachher gehen wir noch n Bier zusammen trinken !« Der DiMiDo kann natürlich wieder nicht mit, weil er ja nachhause muß. Und wieder bekommt er nicht mit, was seine Kollegen beim Bier so alles auskaspern, während er über nächtliche Autobahnen rast, oder zur Abwechslung mit Staus und Umleitungen kämpft. Meistens gibt es eine Raststätte oder einen McDonalds, wo er am Donnerstag um 23.00 zuabend ißt. Erst wollte er das nicht, aber der Hunger und die Erschöpfung haben nach der Pause geschrieen. Deswegen kommt er auch immer erst gegen 1.30 am Freitag morgen zuhause an, und wuchtet Klappboxen mit Akten aus dem Auto in seine Wohnung, wovon sein Partner geweckt wird, manchmal auch die Kinder. Häufig aber hat es der Partner schon satt, den DiMiDo in die Arme zu nehmen, und mit ihm noch ein Glas Wein zu trinken - weil, der Partner muß nächsten morgen wieder raus und eventuell die Kinder zum Kindergarten bringen. Er wälzt sich im Bett nur von einer Seite auf die anderen. »Schatz, sei mir nicht böse, aber wenn Du Donnerstags so wahnsinnig spät nachhause kommst - macht es Dir was aus, auf dem Sofa zu schlafen ?« Nein, es macht dem DiMiDo nicht aus, er ist eigentlich froh, daß er seine Ruhe hat, noch ein Bier aus dem Kühlschrank trinken, und einen Softporno auf Pro7 gucken kann - anfangen kann zu gucken. Denn er schläft alsbald übermüdet ein.
Freitags wacht der DiMiDo erst gegen 14.00 auf - wenn nicht das handy klingelt. Die Sadisten unter seinen Kollegen und Vorgesetzen rufen den DiMiDo nämlich pünktlich um 9.15 an, und brauchen eine ganz dringende, eilige Information, so daß sich der DiMiDo an seinen Computer schleppen, und dem Anrufer eine detailierte email schicken muß, bevor er sich wieder hinlegen kann. Dann klingelt das handy wieder: die email ist angekommen, aber es gibt da noch ein paar Punkte ... es ist zum mäusemelken ! Daß man kaum geschlafen hat, taugt als Ausrede kaum, wenn um 11.00 das Gremium tagt, wo dann der residierende Kollege süffisant erklärt, daß von dem abwesenden Kollegen DiMiDo leider nur eine recht oberflächliche email vorliege ... also muß man wieder ran und keulen !
Folglich ist der Samstag der eigentliche Erholungstag des DiMiDo. Wenn er Glück hat, kann er mit seinem Partner bumsen oder ins Schwimmbad, wenn er Pech hat, muß er vormittags mit einkaufen, Mittags bei den Schwiegereltern essen, und nachmittags ein IKEA-Regal zusammenbauen, bevor es zum Geburtstag von Tante Else geht. Sonntags hingegen nimmt sich der DiMiDo endlich die Akten vor, die ihn aus den Klappboxen schon seit Donnerstag nacht anstarren. Er sortiert, setzt Prioritäten fest, bis seine Kinder mit ihm spielen wollen, oder sein Partner ihm erklärt, er/sie gehe fahre jetzt mit seiner/ihrer Freund/Freundin da-und-da hin, und ob er nicht mitkommen wolle ? Aber der muß ja am Schreibtisch sitzen und keulen. Die Beziehung wackelt beträchtlich, weil der Partner inzwischen weitaus mehr mit seinem Tennispartner verbringt, als mit seinem Beziehungspartner. Deswegen ist der Sonntagabend immer geprägt von süßsäuerlichen Gesprächen darüber, daß es so nicht ewig weitergehen wird, nicht weitergehen kann und daß auch wieder bessere Zeiten kommen.
Der Montag-vormittag ist die einzige Zeit im Leben des DiMiDo, in der er sich wohl fühlt. Er hat ja sonntag gearbeitet, Partner und eventueller Nachwuchs sind schon aus dem Haus, und der DiMiDo kann frühstücken solange er will, und die Zigarette auf der Untertasse ausdrücken, ohne daß jemand meckert. Erst gegen Mittag, wenn das Packen für die Reise zum Arbeitsplatz beginnt, fühlt der DiMiDo wieder leichte Beklemmungen. Zwei ganze Arbeitstage war er nicht da. Die Kollegen und Vorgesetzen haben meetings gehabt, Kaffee getrunken, geluncht, gebreakfastet und ein Bier getrunken. Sie haben sich am Aufzug unterhalten, und auf der Herrentoilette. Und auf seinem Schreibtisch werden wieder ein Dutzend Zettel liegen, die die Abteilungssekretärin hineingelegt hat: Bitte um Rückruf, dringend, eilig, sofort. Wenn der Partner von der Arbeit heimkommt, schleppt der DiMiDo wieder Akten von seiner Wohnung ins Auto, und ist schon halb nicht mehr da. Anfangs haben sie Montags immer einen kleinen Abschied gefeiert, ja sogar miteinander Liebe gemacht. Heute ist der DiMiDo froh, wenn er endlich wieder in seiner Stammraststätte sitzt, und den in Ruhe den Playboy oder die Cosmopolitan durchblättern kann, und der Partner froh, wenn der DiMiDo endlich weg ist, weil Volker oder Petra (manchmal auch Volker und Petra) nachher vorbeikommen wollen, was der DiMiDo nicht unbedingt wissen muß (aber ahnt!). Im nächtlichen Nieselregen schleppt er wieder Aktenordner aus dem Auto in sein Appartment, er muß sich vorbereiten auf das meeting am Dienstag um 9.00. Die Kollegen haben sich deswegen am Samstag vormittag im Café getroffen, daß weiß er. Nur er muß ganz alleine sein Ressort vertreten ... Doch als er hört, daß der Personalvorstand eine Vorlage erarbeitet - wenn auch noch nicht vorgelegt hat - wonach Angestellte seiner Einstufung der Residenzpflicht unterliegen sollen, da geht der DiMiDo in die Luft: eine unerhöhrte Unverschämtheit, spiessige Kleinkariertheit heutezutage !
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