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FreudGrüßt schrieb am 25.4. 2001 um 23:10:10 Uhr über

Reich

Wilhelm Reich stammt vom Gutshof. In Galizien 1897 geboren, 41 Jahre jünger als Freud, 24 Jahre jünger als Ferenczi, wächst
er neben seinem jüngeren Bruderrivalen Robert recht einsam in einer deutschtümelnden, irreligiösen jüdischen
Gutsbesitzerfamilie in der Bukowina auf, darf nicht mit den ukrainischen Bauern- und den jiddischen Kindern spielen.(1) Der
Vater ist ein brutaler, jähzorniger Patriarch gegenüber Knechten und Familie, eifersüchtig auf seine etwas einfache
Haus-Frau.(2) Den Vater verleugnet und bekämpft Reich, seine Mutter vergötterte er. Als sie mit dem Hauslehrer heimlich
verkehrt, »meldet« der 12jährige Reich dies seinem Vater; die enttarnte Mutter macht Selbstmord, für Reich das traumatische
Ereignis. Der erschütterte Vater holt sich Lungenentzündung und Tuberkulose und stirbt 5 Jahre darauf.(3) Der 17jährige Reich
übernimmt das Gut und muß von 1915-18 in der östereichischen Armee beim Weltkrieg mitwirken. Danach zieht er zu Robert
nach Wien, der arbeiten geht, damit Wilhelm trotz ärmlichster Verhältnisse Medizin studieren kann. Als Kriegsteilnehmer darf er
es schon nach vier Jahren 1922 mit Promotion abschließen.(4) 1919 gründet sich während einer Anatomievorlesung per
Laufzettel das »Wiener Studentenseminar für Sexulogie«, dessen Leiter Reich wird. Bei der nun beginnenden Sexforschung
begegnet er dem 64jährigen Freud. Bei Paul Federn und Gattin gastiert Reich oft zur Lehranalyse. Dafür meint er, habe Federn
in seiner Eifersucht Freud 1924 gegen ihn aufgehetzt.(5) 1920 wird er jüngstes Mitglied der Wiener Psychoanalytischen
Vereinigung. Zeitlebens verehrt er Freud, auch, als dieser sich von ihm abwendet.(6) In Eduard Hitschmanns
Psychoanalytischer Polyklinik, dem Ambulatorium in der Pelikangasse, in dem jeder Analytiker täglich eine kostenfreie
Sprechstunde abhielt, wird er Assistent und ab 1928 Stellvertretender Direktor und hält dort Vorlesungen und Seminare zur
Institutsfortbildung.(7) Dort kommen die klinischen Statistiken für seine erste größere Untersuchung über die Hüllkurven des
Orgasmus zustande: eine nicht von neurotischen Querschlägern als Sägezahnwelle irritierte und insgesamt mit unabgeführtem
Erregungsstau hügelig abgeflachte, sondern eine in 5 - 20 Minuten logarithmisch ansteigende, mit scharfem Letztanstieg in der
Akme motorisch autonomer Reaktion imposant aufschießende und dann steil in Schlaf abfallende Kurve ist Reichs zentrales
Therapieziel.(8) Er leistet damit der Verdinglichung des Orgasmus Vorschub, wie sie Alexander Lowen durch seine gezielte
Verschreibung mit einer auf ungehemmte Affektabfuhr ausgerichteten Charaktereologie kastrierend betreibt.



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