Eine Rechtschreibreform ist eine mehr oder weniger eingreifende Änderung der Rechtschreibung (Orthographie) einer Sprache. Für die aktuell im deutschen Sprachraum diskutierte Reform von 1996 siehe unter Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996.
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Inhalt einer Rechtschreibreform
2 Rechtschreibreform der deutschen Sprache
2.1 Verfügungsgewalt über die deutsche Rechtschreibung
2.2 Bisherige Reformen
2.3 Beispiele alter deutscher Schreibweise
3 Rechtschreibreformen in anderen Sprachen
4 Siehe auch
5 Weblinks
Inhalt einer Rechtschreibreform [Bearbeiten]Eine Rechtschreibreform kann in Form einer Wortliste beschlossen werden, wie in Frankreich üblich (1990, als sich der öffentliche Protest auf eine einzige Änderung konzentrierte: ognon statt oignon; 1878 als, ebenfalls unter öffentlichem Protest, poëte sein Trema verlor, bis zurück ins Jahr 1740, als die Académie française mit ihrem Wörterbuch die Schreibweise mehrerer tausend Wörter änderte). Eine Rechtschreibreform kann aber auch die Änderung von Rechtschreibregeln umfassen, wie zuletzt 1996 in Deutschland, als unter anderem neue Regeln zur Verwendung von Doppel-s und ß, zu Dreifachkonsonanten, zur Groß- und Kleinschreibung, zur Schreibung von Fremdwörtern, zur Auseinanderschreibung zusammengesetzter Wörter und zur Zeichensetzung (Interpunktion) sowie zur Worttrennung am Zeilenende erlassen wurden.
Rechtschreibreform der deutschen Sprache [Bearbeiten]
Verfügungsgewalt über die deutsche Rechtschreibung [Bearbeiten]Der deutsche Bundestag beschloss am 26. März 1998: „Die Sprache gehört dem Volk!“ Eine Rechtschreibreform setzt demnach voraus, dass eine Mehrheit der Schreibenden eine Reform wünscht und die Beschlüsse eines demokratisch eingesetzten wissenschaftlichen Sprachrates dem Sprach- beziehungsweise Schreibgebrauch entsprechen. Sie sollten demzufolge so überzeugend sein, dass sie von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert werden. Die längste Tradition als eine solche Instanz hat nach der italienischen Accademia della Crusca die Académie française, die zwar als nationale französische Institution konstituiert ist, aber im gesamten französischen Sprachraum anerkannt wird. Dagegen gibt es keine übergeordnete Instanz, die über die Schreibung des Englischen verfügen könnte; eine solche Instanz hat es historisch nie gegeben. Das Deutsche nimmt zwischen diesen beiden Extremen eine Mittelstellung ein.
Juristisch betrachtet stellt das, was man gemeinhin als „Rechtschreibung“ bezeichnet, nichts anderes als eine Verwaltungsvorschrift dar. Sie ist nur im Bereich der öffentlichen Verwaltung (Bund, Länder, Gemeinden) verbindlich.
Damit in allen Teilen der öffentlichen Verwaltung dasselbe Regelwerk gilt und in der täglichen Verwaltungspraxis angewendet wird, müssen der Bund (i. d. R. der Bundesinnenminister) sowie jedes einzelne der 16 Bundesländer die deutsche Rechtschreibung formal als Verwaltungsvorschrift erlassen.
In der Staatspraxis sieht es so aus, dass die Kultusministerkonferenz auf dem Gebiete der Rechtschreibung Beschlüsse fasst, die dann sowohl von Seiten der Bundes- als auch der Landesverwaltung als Verwaltungsvorschrift erlassen werden.
Tatsächlich gesellschaftlich durchgesetzt wird die Rechtschreibung überwiegend mittels der Schulen, da diese im staatlichen Innenverhältnis der Verwaltungsvorschrift Rechtschreibung unterliegen, sowie über die Medien und Verlage.
Bisherige Reformen [Bearbeiten]Im deutschen Sprachraum fanden zwei orthographische Konferenzen statt, auf denen neben dem Ziel einer Vereinheitlichung der deutschen Orthographie auch weitergehende Reformvorschläge diskutiert wurden. In erster Linie führten sie aber zu der angestrebten Vereinheitlichung der Rechtschreibung:
4. bis 15. Januar 1876: „Konferenz zur Herstellung größerer Einigung auf dem Gebiet der deutschen Orthographie“ (I. Orthographische Konferenz) in Berlin;
17. bis 19. Juni 1901: „Beratungen über die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung“ (II. Orthographische Konferenz) in Berlin.
Danach wurden etliche Reformen mit dem Ziel der Vereinfachung der Rechtschreibung geplant; die bedeutendsten dieser Versuche sind
die Rechtschreibreform von 1944, die schon gedruckt vorlag, aber so gut wie nicht umgesetzt wurde;
die Rechtschreibreform von 1996, deren Regeln in den Jahren 2004 und 2006 überarbeitet wurden.
Die offizielle Schreibung des Deutschen änderte sich in den letzten einhundert Jahren in Details fast unmerklich von Wörterbuchausgabe zu Wörterbuchausgabe. (So tauchte z.B. in der 14. Auflage des Dudens, 1954, die integrierte Schreibung Kautsch neben Couch auf, die in der 13. Auflage von 1947 noch nicht aufgeführt war. Sie verschwand in den 80er Jahren wieder aus den Wörterbüchern - anscheinend weil ihr Gebrauch wieder zurückging; spätestens 1941 wurde die integrierte Schreibung Majonäse neben Mayonnaise in den Duden aufgenommen [1941 allerdings noch als »entbehrliche« Variante markiert] - nicht erst durch die Reform von 1996, wie viele irrtümlich meinen - und ist dort seitdem in jeder Auflage zu finden. Nicht nur Stichwörter, auch Regeln konnten sich ändern. So heißt es noch in der 10. Aufl. des Dudens 1929: »Für ß wird in großer Schrift SZ angewandt«; später galt SZ nur noch als Möglichkeit neben SS um Verwechslungen in Fällen wie MASZE - MASSE zu vermeiden.)
Beispiele alter deutscher Schreibweise [Bearbeiten]Meldungen aus dem Preußischen Stadt- und Landbote - Tageblatt für Eberswalde und Umgebung aus dem Jahre 1901
Oderberg, 5. Januar. In Flammen aufgegangen ist heute Mittag gleich nach 11 Uhr die dicht an der Bahn kurz vor der Station Oderberg-Bralitz belegene Holz-Briquette-Fabrik des Dampfschneidemühlenbesitzers C. Müller-Bralitz. Die Fabrik ist erst vor 3 Jahren errichtet und glich in ihrem Aeußeren einem Prachtbau. Das Feuer, welches im Trockenboden ausgekommen sein soll, verbreitete sich mit rasender Geschwindigkeit und bald war die ganze Fabrik bis auf das Maschinengebäude vernichtet. Der entstandene Schaden dürfte durch Versicherung annähernd gedeckt sein.
Oderberg, 5. März. vermutlich ertrunken ist am Sonnabend vormittag der fünfjährige Sohn des Schiffbauers Kunze auf der Kolonie Teufelsberg. Der Kleine ist mit seinem Vater über das Eis gegangen und dann von dem Vater wieder nach Hause geschickt worden. Dort ist er jedoch nicht wieder angekommen und Niemand weiß, wo er geblieben ist. In Folge dessen muß man also annehmen, daß das Kind in offenes Wasser geraten und ertrunken ist. Nach der Leiche ist bisher vergeblich gesucht worden.
Oderberg, 23. März. Die Eisversetzungen sind vorüber. Trotzdem ist ein nicht bedeutendes Anschwellen der Oder zu constatieren. Wenn nicht bald wieder ein fallen des Wassers eintritt, so wird die Oder die Ufer theilweise überfluthen und den angrenzenden Besitzern unangenehm sich bemerkbar machen. Das neu errichtete Bollwerk wird gleichfalls bald vom Wasser überfluthet sein.
Oderberg, 6. April. In die bis zum 1. April von Herrn Postsecretair a. D. Beeck innegehabte Wohnung in dem Kunz’schen Hause an der Eberswalder Chausse wurde vor einigen Tagen von der Straße aus ein Schuß durch das Fenster abgefeuert. Außer der Beschädigung einer Fensterscheibe wurde, da das Zimmer noch unbewohnt war, glücklicherweise kein Unheil weiter angerichtet. Es ist bis jetzt noch nicht gelungen, den Thäter zu ermitteln.
Oderberg, 15. April. Bei dem heute nachmittag zwischen 2-3 Uhr niedergehenden Gewitter fuhr der Blitz in die Nähe der Walter’schen Ziegelei bei Neuenhagen eine ca. 20 Meter hohe Kiefer und warf dann, als er die Erde berührte, den Sand noch drei Meter hoch auf die umstehenden Bäume.
Rechtschreibreformen in anderen Sprachen [Bearbeiten]Reformen der Rechtschreibung gab es unter anderem auch in folgenden anderen Sprachen:
armenische Sprache
dänische Sprache
französische Sprache,
niederländische Sprache
norwegische Sprache
portugiesische Sprache
russische Sprache.
In einigen anderen Sprachen ist es dagegen sehr unwahrscheinlich, dass es jemals zu einer Rechtschreibreform kommen wird, da es an einer Instanz fehlt, die eine solche Reform beschließen und durchsetzen könnte oder weil kein ausreichender Wille dazu zu erkennen ist. Dazu zählt insbesondere die
englische Sprache.
Die Rechtschreibung der englischen Sprache hat sich zwar, auch ohne dass es einer formalen Reform bedurfte, seit dem 16. Jahrhundert erheblich verändert, weitergehende Reformversuche scheiterten jedoch größtenteils. Die einzige bedeutende Ausnahme bildeten die Vorschläge von Noah Webster, von denen sich einige in Nordamerika vollständig durchsetzten und auf die ein Großteil der heutigen Unterschiede zwischen amerikanischer und britischer Rechtschreibung zurückgehen.
Zu den weiteren Reformversuchen zählt u.a. die Kampagne der 1908 in England gegründeten Simplified Spelling Society (SSS), welche sich das Ziel setzte, die Unregelmäßigkeiten der englischen Rechtschreibung zu reduzieren. Viele Persönlichkeiten schlossen sich dieser Kampagne an, darunter George Bernard Shaw und Isaac Pitman. In den USA hatten unter anderem Benjamin Franklin, Samuel Morse und später Mark Twain Schritte zur Vereinfachung der Rechtschreibung der englischen Sprache vorgeschlagen. Insbesondere der Amerikaner William Thornton, geboren auf den Westindischen Inseln, hat sich seit 1785 mit der Vereinfachung der englischen Rechtschreibung beschäftigt, die von seiner Absicht ausging, das Leben der Sklaven zu verbessern, die zumeist Analphabeten waren.
Wenig oder gar kein Reformpotenzial und -bedarf besteht in Sprachen, die traditionell phonologisch geschrieben werden:
italienische Sprache,
serbische Sprache,
kroatische Sprache,
spanische Sprache,
ungarische Sprache.
In wenigen Sprachen wurde einmal eine radikale Rechtschreibreform mit Umstellung von einem etymologischen auf ein phonologisches Regelsystem durchgeführt:
finnische Sprache,
lettische Sprache,
oder umgekehrt:
slowakische Sprache (1851)
Eigentlich nicht als Rechtschreibreform kann man die Vereinfachung eines Ideogrammsystems bezeichnen...
chinesische Schrift.
... ebenso wenig einen Wechsel der Schriftzeichen:
türkische Sprache (Wechsel von arabischen auf lateinische Schriftzeichen),
koreanische Sprache (Wechsel von chinesischen auf Hangul-Schriftzeichen),
rumänische Sprache (Wechsel von kyrillischen auf lateinische Schriftzeichen),
aserbaidschanische Sprache, turkmenische Sprache und usbekische Sprache (jeweils in den 1990er Jahren Wechsel von kyrillischen auf lateinische Schriftzeichen; in der kasachischen Sprache und der kirgisischen Sprache bis 2010 geplant).
Siehe auch [Bearbeiten]Geschichte der deutschen Rechtschreibung
Zwanzigeins
Weblinks [Bearbeiten]http://www.rechtschreibrat.com
http://www.sprachforschung.org
Institut für Deutsche Sprache
http://www.radiks.org radiks, der Vorschlag für eine radikale Reform der deutschen Rechtschreibung
http://www.raecht-schreibung.de
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtschreibreform“
Kategorien: Sprache | Reform
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