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mcnep schrieb am 27.3. 2004 um 16:13:59 Uhr über

ratzekahl

In Bombay gibt es die Türme des Schweigens. Das sind zwei nicht übermäßig schöne Hochhäuser, die man von einem nahegelegenen Park aus gut sehen kann, wobei dem Betrachter auffällt, daß sich in dem weitläufigen Areal dazwischen so gut wie keine Bebauung erhebt. Und der Park, von dem aus sich dieser Anblick bietet, entspricht nicht einer Grünanlage westlichen Zuschnitts, da Bäume dort nur an den äußeren Rändern anzutreffen sind, wären die unbeschattete Kernfläche nur durch Rabatten und Hecken geschmückt ist. Beide Phänomene stehen in einem engen Zusammenhang: Unter dieser Parkfläche befindet sich ein riesiges Wasserreservoir und der Park ist gleichsam wie ein riesiger Deckel darübergebaut. Zwischen den Hochhäusern nun befindet sich die Beerdigungsstätte der parsischen Minderheit. Da diese nun die Elemente als heilig betrachten, wollen sie ihre Toten nicht der Erde überantworten und auch nicht das Feuer durch eine Kremierung der Leichen verunreinigen. Daher haben sie auf dem Gelände der Türme des Schweigens (das ihnen einschließlich des Parks gehört, es ist eine zahlenmäßig kleine, aber sehr wohlhabende Glaubensgemeinde) eine große kreisrunde und nach oben offene Anlage erbaut, in der die Toten auf drei ansteigenden Terrassen aufgebahrt werden, oben Männer, Mitte Frauen, unten die Kinder. Dann vollzieht der parsische Priester etwas, was ich mal laienhaft mit Aussegnungsritualen bezeichnen will und klatscht anschließend vernehmlich in die Hände. Auf den Moment haben die in den umliegenden Bäumen lebenden Geier gewartet, in jahrhundertealter Konditionierung flattern sie mit dem letzten Klatschen heran, machen sich über den Leichnam her und in nicht einmal einer Stunde haben sie ihn ratzekahl bis auf die Knochen abgenagt. Anschließend tritt ein Friedhofsbeamter, wobei dieser Ausdruck nicht ganz korrekt ist, heran, und befördert die verbliebenen Überreste mit einem Stecken in durch die unten liegenden Roste, wo sie in einer Mischung aus Kalk und Holzkohle aufgelöst werden. So weit, so gut, das finden zwar auch viele Einwohner Bombays etwas 'spooky', aber es ist eine tolerante Stadt, da ist man Schrullen gewohnt. Was den Leuten aber gegen den Strich ging war der Anblick der Geier, die gelegentlich nach getaner Arbeit einen Verdauungsflug über dem Wasserreservoir machten, und Geier haben keine Servietten. Deshalb stiftete ein reicher Parse diesen Parkdeckel.


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