den Monat am mer mediterranée war mein eigentlicher Lebensmonat. Dafür lebte ich und ertrug den langen Rest des Jahres. Die Füße hatten anfangs immer Schwierigkeiten mit den Spitzen Kieseln und den Schlappen, zwischen großem Zeh und dem zweiten Zeh gab es regelrechte Wunden die aber bald verheilten wie die ersten Sonnenbrände und ab der dritten Woche war alles an meinem Körper an die Sonne und die Kiesel gewöhnt und wußte, das hier, das ist mein wahres Leben, ich bin ein Südländer, Ein Meeresanwohner, ich gehöre hier her, alles andere kann nur ein Irrtum der Geburt sein, ein genetischer Fehler sagte meine Klavierlehrerin, und, was glaubst du wohl wieviele Psychopathen ich hier schon vor mir stehen hatte, ich fragte vorsichtshalber nicht zurück ob sie mich denn auch für einen solchen hielte. Du weißt nicht wohin mit den Händen sagte sie mir bei meinen ersten gesangsstunden und jeder kann singen, aber sie scheiterte bei mir, ich brachte nicht viel mehr als Krächzen, aber da war meine Ehe auch schon vorbei, und später, was könnte ich Dir schon sagen, „dein Unterkiefer ist nicht locker“. Ich bin ihr für einige Antworten dankbar. Sie spielte immer ein einziges mal vor, die neuen Stücke, und immer entdeckte ich eine Art Leichtigkeit darin die ich nicht greifbar machen konnte, nicht einmal verstand, nur merkte. Irgendwann fragte ich sie danach, wie ist das, das wirkt immer so leicht, wenn du es spielst. Sie war scheinbar berührt von der Frage und sagte, es wirkt nur so, in Wahrheit ist es gar nicht einfach, das Leichte. Sie hat mir mit vielen ihrer Antworten immer ein Stück zum Nachdenken gegeben. Anders war das bei uns zu Hause auch nicht sagte sie einmal, ein kleines Gespräch einmal in der Woche am Sonntag. Mehr hatten wir nicht von den Eltern. Ich wollte ihr das fast nicht glauben, damals. Am Mer, der framnzösischen Schreibweise, war der Strand Estagnol neben dem Strand Léoube, nicht weit davon war das Fort Bregancon wo man recht viele Tintenfische fand. Der Estagnol war der bevorzugte Strand der Eltern, langer Sandstrand, es wurde nicht so schnell tief, bei Wind gab es schöne Wellen zum Hineinwerfen und sich von der Welle zehn, fünfzehn Meter nach vorne tragen lassen. Erwischte man die Welle gut, ging es richtig ab nach vorne, war sie zu groß kam es vor daß man völlig durcheinandergepurzelt wurde unter wasser, das war sehr sehr lustig, purzelbäume kannte ich gut, und dabei so gut gehalten wie nur wasser es kann. Es ging wild zu. ich war den ganzen Tag mit Schnorchel und Flossen und Fuine auf Kleinfisch-Aufspießjagd um den Abendbrottisch zu bereichern oder mit Angel und Eimerchen ein Stück draußen auf den seitlichen Klippen der Bucht, wo niemand war, ich, die Sonne, das glitzernde wasser, mein Schwimmer, was mehr braucht das Kind. Und wenn dann der Schwimmer wie magisch nach unten geht, das waren Momente des Glücks und man wußte nie wie groß das herausgezogene Glück war, es war meist klein, und meist hing nichts am Haken, aber die Hoffnung war immer da. Und leider verlor ich den einzigen größeren Fisch der sich an meinen winzigen Haken mit Käsebrotteig (alle alten Männer die ich nach Ködern befragte hatten ihre spezielle Teigmischung, oft gehörte ein stark riechender Käse hinein) verlor, festbiss, beim Herausziehen, ich erinnere mich noch welches große Glücksgefühl ich hatte bei Ziehen und Bemerken, das ist etwas Dickeres als sonst, das muß ein richtig großer Fisch sein, und ich bekam ihn auch kurz zu sehen, wie wild zappelte et silbern nahe der Oberfläche. Und dann brach die billige Spitze meiner Kindertouristenangel ab und der Fisch verschwand und ein Stückchen Rute trieb im Wasser. Leider war es schon damals so, daß Mutter meine wirklich erlebten Geschichten als Phantasie abtat was mich nach und nach verstummen ließ. Und heute machen es zwei meiner Brüder ihr nach und der dritte will nichts aus der vergangenheit mehr hören.
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