Liebes meinTagebuch,
ich bin neuerlich erstaunt, daß Du trotz Deiner Wehrlosigkeit und Ausgeliefertheit als Blasterstichwort noch immer nicht von perversen Pisslingen, Peitscheinheinis oder Sporenkaspern verkratzt und erniedrigt worden bist. Nun gut, wenn das so ist, werde ich Dich wieder nach Deiner Bestimmung behandeln und Dir etwas von mir erzählen.
War heute mit K. endlich auf der Gothic-Party. Wir hatten uns schon seit mindestens einem halben Jahr vorgenommen, da hin zu gehen, aber immer war etwas dazwischen gekommen. Nun, da es geklappt hat, waren die Erwartungen natürlich groß. Womit ich nicht gerechnet hatte: K.s Stimmung war schwärzer als sämtliche Gruftis zusammengenommen. Ich konnte ihr die Hoffnungslosigkeit förmlich ansehen: So düster hatte ich sie noch nicht erlebt. Sie hing durch wie ein Waschlappen, brachte kaum ein Lächeln zustande. Nachdem ich eingesehen hatte, daß meine Aufmunterungsversuche nicht fruchten, sie nicht einmal Appetit auf einen zweiten Drink hatte und auch das Tanzen nicht zu einer Entspannung führte, ließen wir uns auf einer Couch nieder. Die Musik war auch schon mal besser gewesen in dem Laden. Heute war alles irgendwie zu durcheinander. ASp und dann Seven Nation Army? Paßt doch gar nicht. Naja.
Jedenfalls war die Konversation natürlich kaum machbar aufgrund der Beschallung. Es ging gar nichts. Sie stierte vor sich hin, wirkte abwesend. Ich saß dicht neben ihr, zurückgelehnt, sie auf der Kante, nach vorn gebeugt. Und dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte: Sie lehnte sich bewußt nach hinten, schmiegte sich an mich, lehnte ihren Kopf an meinen. Ließ zu, daß ich sie umschloß. Sie sog die Nähe förmlich auf, schloß die Augen, als ich sie vorsichtig am nackten Oberarm streichelte.
Die Situation war heikel, denn K. lebt seit Jahren in einer Beziehung - in der sie aber dem Vernehmen nach nicht vollständig glücklich ist. Ihr Freund spielt World of Warcraft, hat sie mir einmal verraten. Das sagt alles. WOW vereinnahmt Menschen vollständig.
Jedenfalls saßen wir sicherlich eine Stunde in dieser Position. Ich begann eine Wärme zu spüren, die mir gefährlich schien. Ein Verlangen, ihrem zierlichen Körper noch näher zu sein. Beließ es aber beim Streicheln des Oberarms.
Sie tut mir so leid. Zum x-ten Mal Hartz IV beantragen, völlige Perspektivlosigkeit trotz repektablem Schul- und Berufsabschluß. Ich hoffe inständig, sie verfällt aufgrund ihres eher labilen Charakters nicht irgendwelchen Suchtmitteln. Arme aufschneiden und Bulimie hat sie ja glücklicherweise hinter sich gelassen. Ich würd' ihr so gerne helfen, weiß aber nicht wie...
Auf dem Heimweg war sie dann sichtlich beruhigt und lächelte auch. Wir sprachen nicht über die Annäherung, obwohl diese mit Abstand das Schönste an diesem Abend war.
Also, liebes meinTagebuch, jetzt sag nicht, das Leben würde keine Überraschungen bereithalten. Du wirst sicherlich noch die eine oder andere erleben, denn deine Zukunft hier im Blaster gehört nicht zu den rosigsten. Aber, Kopf hoch!
Gute Nacht,
DeinBaumhaus
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