Liebes meinTagebuch,
ich weiß, ich tue Dir keinen Gefallen damit, Dich in die Welt, respektive den Blaster, zu setzen, denn Du wirst hier mißbraucht und zweckentfremdet enden. Du wirst eine Halde für Häßliches, Dein Name wird entweiht werden. Aber bevor das geschieht, habe ich die Gelegenheit - quasi exklusiv, denn in diesem Augenblick, da ich Dich erschaffe, gehörst Du mir, mir ganz allein! - Dir etwas von mir zu erzählen. Denn dazu bist Du als meinTagebuch da: Mir geduldig zuzuhören, ohne Widerrede.
Also: Ich kaufte mir heute erstmalig seit 6 (gefühlten 30) Jahren ein Stück Belletristik im Buchladen, in den es mich nur aufgrund der Notwendigkeit, ein Geburtstagsgeschenk für einen ehemaligen Kollegen zu besorgen, verschlug. Ich hatte noch zwei Gutscheine, kurz vor dem Verfallsdatum. Und als ich mich für ein Geschenk entschieden hatte, war noch Geld übrig. Also kaufte ich für mich auch noch ein Büchlein. So ein neues. Ich habe in erster Linie auf den Preis geachtet, denn man kriegt kein Wechselgeld zurück, wenn man mit Gutscheinen bezahlt, also mußte es genau aufgehen.
Gut, also, jedenfalls hatte ich dann das Buch. Da ich zu Fuß zum Buchladen gegangen war, mußte ich auch zu Fuß wieder zurück. Auf dem Weg, der ca. 15 Minuten dauerte, laß ich das Buch an und staunte darüber, wie flüssig und schnell es sich lesen ließ. Keine schwere Lektüre also, eher was für den Urlaub. Es handelt von einer jungen Frau, die Angst hat. Vielmehr Spannendes gibt es nicht zu berichten. Aber es ist schön geschrieben. Es entspannt das Herz nach all den Jahren verbissenster Fachliteratur. Welch Erquickung! Ich lebte regelrecht auf in den 15 Minuten. Dann wieder dieses Gefühl, daß ich schon lange nicht mehr hatte: Vollkommen hineinversetzt zu sein in die Story, in die Erzählerin. Alles rings herum ausgeblendet, das eigene Leben völlig unwirklich. Ja, das können nur Bücher!
So, liebes meinTagebuch. Jetzt muß ich leider aufhören, denn ich muß mir jetzt noch schnell einen Kaffee machen, unter die Dusche und dann zu einer Geburtstagsfeier. Zeitnoth!
Deine Zukunft ist düster, wenn nicht gar braun verschmiert. Meine sicher auch, aber bei mir dauert es vielleicht noch ein bisschen länger. Mach's gut, liebes meinTagebuch. Und wenn du weinen mußt, denk an mich und meine graugrünen Augen, die dir zuzwinkern als wollten sie sagen »den Frieden findest du nur in dir selbst - oder im Blaster.«
Gute Nacht,
DeinBaumhaus
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