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mcnep schrieb am 28.4. 2008 um 14:36:49 Uhr über

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1815 übersandte der 18jährige Franz Schubert zwei Liedvertonungen in allem schuldigen Respekt an den Dichter, dessen Gedichte ihm die Vorlagen geliefert hatten; aber der Geheime Rat von Goethe zog es vor, diese beiden Stücke, die in Schuberts Werkverzeichnis heute die Nummern 1 und 2 tragen, den 'Gesang Gretchens am Spinnrade' und den 'Erlkönig' unkommentiert nach Wien zurück zu schicken. Eine sprechende Missachtung des Neutöners Schubert, der in beiden Vertonungen so kühne andere Wege beschritten hat, dass es unwahrscheinlich erscheint, dass Goethe dies nicht gespürt hätte - er war zwar fraglos bei allen Künsten in der Musik der größte Dilettant, doch schon die gänzlich durchkomponierte Form war ein Bruch mit der Tradition, nach der liedhafte Gedichte auch in einer typischen Rondoform mit gleichartig wiederkehrenden Strophen und einem Refrain zu vertonen seien; bei Schubert wird aus dem Erlkönig eine opernhaft bedrohliche Szenerie, von galoppierenden Achteln untermalt, voller schmerzlicher, dissonanter Schreie des 'ächzenden Kindes', und plötzlich ist Goethe in einer Schauerromantik angekommen, die dem marmorweißen Klassiker wohl selber unheimlich geworden ist. Schubert hat sich nicht beirren lassen und trotz Goethes lebenslänglicher Ignoranz seiner Künstlerpersönlichkeit noch viele weitere seiner Gedichte vertont, alles Stücke, die dazu beigetragen haben, dass man heute unter Liebhabern in aller Welt »The Lieder...« sagt, wenn man von Schubert redet. Goethe hingegen hat auf das falsche Pferd gesetzt, auf seinen treuen Karrengaul Zelter, dem die Welt nicht nur eine der umfänglichsten Korrespondenzen mit JWG verdankt, sondern auch zahlreiche mit Segen des Meisters veröffentlichte Liedvertonungen, die so kreuzbrav, konservativ und langweilig sind, dass sie zum größten Teil nur noch als wehmütig beschmunzelte Fossilien im Programm von Liedertafeln des Fleischersängerbunds auftauchen.



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