Medien und ihre Macht der Manipulation
von Marcus Knill
Eng verknüpft mit dem Begriff Manipulation ist der Begriff Macht.
Wer machen kann, dass andere etwas machen , der hat Macht.
Wer mit Medien und Medienschaffenden zu tun hat, der sollte die Besonderheiten journalistischer Produktion und Mechanismen möglicher Manipulation unbedingt kennen.
Die Macht der Themenauswahl.
Aussenstehende haben kein Recht, die Tagungsordnung der zu behandelnden Themen zu bestimmen. Mit der Auswahl kommt es zwangsläufig zu einer Gewichtung.
Die Macht der Mikrofon - oder Kamerapräsenz.
Niemand hat einen Anspruch auf Medienpräsenz. Bei den Printmedien gibt es für die Leser kein Anrecht auf die Veröffentlichung eines Leserbriefes. Medienschaffende entscheiden, was veröffentlicht wird.
Die Macht des Ausklammerns.
Wer sich bei der veröffentlichten Meinung kein Gehör verschaffen kann, wird im Medienzeitalter zur Nichtperson. Das »mediengeile« Verhalten gewisser Politiker ist deshalb verständlich. Es ist zum Teil erstaunlich, wie plump um die Gunst der Medienschaffenden gebuhlt wird. Wenn unliebsame Politiker bewusst ausgeklammert, totgeschwiegen würden, wäre dies eine gravierende Manipulation. Übrigens: Wie bei vielen anderen Manipulationshandlungen wäre eine derartige Manipulation schwer nachzuweisen.
Die Macht, darüber zu befinden, wieviel und welche Gäste eingeladen werden (Publikum)
Die Zuteilung der Interessengruppen »Claqueure« - ist nicht unwesentlich für das Stimmungsbild, das in der Bevölkerung erzielt werden soll. Das Schweizer Fernsehen bemüht sich zwar, stets beide Seiten zu berücksichtigen. Nicht nur in Amerika werden die Zuschauer bei Unterhaltungsfilmen in vermehrtem Masse mit »Lachmaschinen« zum Lachen animiert, um den Erfolg gleichsam zu programmieren. Wie beim Lachen können Medienkonsumenten dank manipulierten Publikumsstimmungsbildern im eigenen Verhalten beeinflusst werden. Es geht dabei um ein einfaches Phänomen: Menschen »heulen lieber mit den Wölfen«, d.h. man begibt sich lieber auf die »Siegerseite«. Verfälschte Stimmungsbilder bei Sendungen. (Die dominierende Zustimmung oder Abneigung überträgt sich langfristig auf die Einstellung der Konsumenten.) (Literaturhinweis: E.Noelle-Neumann, »Die Schweigespirale«, München, 1980.) Bestimmen dank dieser Manipulation die veröffentlichten Stimmungsbilder zunehmend die Stimmung in der Öffentlichkeit, die im Grunde genommen ganz anders wäre?
Die Macht der Zumischung von Geräuschen oder Musik.
Jeder Beitrag könnte durch entsprechende Zumischung völlig verändert werden - diese »Manipulation« gibt es nicht nur beim »Krimi«.
Die Macht der Titelgebung.
Die meisten Leser konsumieren lediglich Titel, Lead und Bilder. Es ist deshalb nicht gleichgültig, welche Titel gesetzt werden. Jedenfalls bestimmt auch darüber nur die Redaktion.
Die Macht der Bildauswahl (Fotos bei Printmedien/Filmsequenzen beim Fernsehen).
Bilder gehören zu den wirkungsvollsten Beeinflussungsmitteln. Autogenes Training, Hypnose wirken über Bilder, Auch die Werbung nutzt die suggestive Wirkung von Bildern. Nachhaltig wirken vor allem Bilder, die Emotionen auslösen. Angenommen, ein Journalist berichtet über eine Demonstration (Polizisten und Demonstranten sind dabei verletzt worden). Der Beitrag wirkt für viele ausgewogen, wenn beide Seiten zu Wort kommen. Doch könnte der Journalist mit seinen Bildern zugunsten einer Seite manipulieren, indem er die Gegenseite nur mit einem Telefoninterview zu Wort kommen lässt.
Die Macht der Kameraführung.
Es ist manipulativ, Betroffene von unten (die aufgenommene Person wirkt dann überheblich) oder von oben aufzunehmen (besonders kleine Personen wirken dann sehr unvorteilhaft) - Jeder Mensch hat eine »Schokoladenseite« und eine »ungünstigere« Seite. Auch mit der Beleuchtung kann eine Person ins günstigere oder ungünstige Licht gerückt werden.
Es hat sich gezeigt, dass die meisten Kameraleute unbewusst jene Menschen, die ihnen sympathisch sind, auch vorteilhafter aufnehmen,
Die Macht der Nähe.
Viele Medienschaffende finden Vogelperspektiven langweilig. Nahaufnahmen sind scheinbar deshalb gefragt, weil es das Publikum wünscht. Denn: Zuschauer erkennen dank dieser »Nahaufnahme-Technik« alle feinsten psychischen Reaktionen. Die Kamera als Lügendetektor? Der Bildschirm als Schirmbild? Wer nichts zu verbergen hat und echt kommuniziert, heisst es beschwichtigend, der hat da nichts zu befürchten. Aber die Nähe hat etwas Entlarvendes, etwas Unheimliches an sich. Feinste Reaktionen werden verstärkt: Zucken, Hautverfärbungen, Schweissperlen, Muskelreaktionen, Pupillen vergrösserung usw. Wer sich dieser Nähe aussetzen muss, wird von Ängsten geplagt - vorab, wenn jemand Pickel oder einen Hautausschlag hat. Angst engt immer ein - auch bei Medienauftritten. Hat ein Befragter bei Fernsehauftritten das Recht, die Nähe mitzubestimmen? Die Praxis zeigt: Die Machtbefugnis ist auch hier ausschliesslich auf der Seite der Medien.
Die Macht, den Hintergrund zu wählen (TV).
Wenn ein Buchhalter vor Bundesordnern aufgenommen wird, kann das Bild des Buchhaltertyps verstärkt werden. Doch manipulieren sich in diesem Bereich die meisten Betroffenen selbst ins Offside, weil es die vielen Journalisten den Interviewten überlassen, wo sie aufgenommen werden wollen, und Interviewte sich nicht fachmännisch beraten lassen. Uns ist der Fall eines Beamten bekannt, der bei einem Interview bewusst eine Spielwiese als Hintergrund wählte. Sein ohnehin zerfahrener, unstrukturierter Beitrag wurde durch die umherspringenden Kinder und den Hintergrundlärm beinahe unverständlich. Die Journalistin hatte nicht manipuliert - oder doch?
Die Macht der Tonsteuerung.
Es kann mit dem Regler eine Stimme voller, sonorer oder auch unvorteilhafter ausgesteuert werden. Ein Profi wird auf derartige Manipulationen verzichten. Im Gegenteil: Ein fairer Journalist empfiehlt sogar dem Gast, ins Studio zu kommen, weil die Stimme über die Telefonmuschel flacher klingt. Eine Journalistin bekannte sich jüngst zur bewussten Manipulation bei Frauenstimmen. Sie behauptete, weil die Frauen in einem höheren Frequenzbereich sprechen, müsste hier zugunsten der Frau nachgeholfen werden. Manipulation den Frauen zuliebe?
Die Macht des Weglassens und Kürzens.
Wenn geschnitten, gekürzt, ausgeklammert wird, handelt es sich immer um einen Akt der Manipulation; was jedoch nicht heissen will, dass damit eine böse Absicht verbunden sein muss, Schneiden gehört zum Medienalltag. Wenn indessen durch das Herausschneiden des Wortes »nicht« die ganze Aussage ins Gegenteil verkehrt würde, wäre dies eine offensichtlich unzulässige Manipulation.
Die Macht als Kontrollinstrument (Medien als sogenannte 4.Gewalt).
Gewiss braucht es Medien, die auch die einflussreichsten Personen kritisch hinterfragen dürfen. In der Demokratie haben die Medien eine wichtige Kontrollfunktion. Wie die Konsumentensendungen zeigen, vermag ein Kamerateam bei den unterschiedlichsten Branchen beinahe Berge zu versetzen. Medien als Manipulationsverhinderer? Leider gibt es aber auch Pannen beim »Entlarven«. Durch unbedachte Bilder wurden ganze Sparten geschädigt. Es gibt Konsumenten, die verlangen, dass die Medien als »Kontrolleure der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft« ebenfalls kontrolliert würden. Es geht um die Frage der »Kontrolle der Kontrolleure«. Für jene Bürger ist das derzeitige Instrumentarium mit Ombudsmann, Publikumsrat und Unabhängiger Beschwerdeinstanz (UBI) unbefriedigend. - Die Macht des Medienverbundes. Wenn ein Medium ein Thema aufgreift und es an einen Medienverbund (Print-Radio-TV) weiterreicht, entspricht dies dem sogenannten »Filz« wie er in politischen Bereichen ebenfalls besteht. Damit ist das Schaffen einer künstlichen Priorität durch Absprachen gemeint. Falls Radio und Fernsehen eine »nebensächiiche« Geschichte thematisieren, ziehen die Lokalmedien und Heftchen meist zwangsläufig nach. Ein Medienverbund muss deshalb nicht unbedingt abgesprochen oder eigens organisiert werden. Bei geschickter Inszenierung könnten Konsumenten langfristig gedanklich an ein Thema gebunden werden. Die Themen-Fokussierung wirkt sich aber in der Regel auch auf politische Aktivitäten aus Vorstösse, Postulate usw.
Die Macht der Etikettierung.
Es ist nicht egal, wie jemand vor oder während einer Sendung angesprochen oder vorgestellt wird. Was man auf dem Bildschirm einblendet, bleibt nicht ohne Auswirkungen. Wenn unter dem Porträt eines Politikers zu lesen ist »Nationalrat SP« oder »Hausmann« oder vielleicht nur »Dienstverweigerer«, so kann diese selektive Einblendung Vorurteile schaffen und das emotionale Umfeld beeinflussen.
Die Macht der An- und Abmoderation.
Ein guter Journalist wird das Schlusswort nie dazu missbrauchen, einen Beitrag mit einer schnöden Zusatzbemerkung zu beeinflussen. Wer jedoch das erste und letzte Wort hat, kann ganze Beiträge »vorprägen« oder nachhaltig beeinflussen. Deshalb achten professionelle Moderatoren bewusst auf dieses Phänomen bei der Start- und Schlussphase. Geschickte Manipulatoren hingegen nutzen die Beeinflussungsmöglichkeiten bei der Einführung und in der Abmoderation.
Die Macht durch die Bestimmung der Spielregeln.
Wenn die Anordnung absichtlich so getroffen würde, dass Befragte stehen müssen, während der Befrager sitzen kann, wäre dies bereits eine Manipulation. Gestresste Personen, die stehen müssen (mit weichen Knien), stützen sich zwangsläufig auf. Damit wird die Gestik unterbunden, Der Stress kann durch die Blockierung weniger abgebaut werden. Ferner: Wenn beispielsweise auf einem heissen Stuhl der Moderator den Befragten umkreist oder die Seite wechselt, fördert der Positionswechsel des Journalisten die Destabilisierung.
Die Macht des Heimvorteils.
Wenngleich Journalisten auch extern arbeiten, so ist der Bevölkerung in der Regel die Zusammenarbeit mit Medien völlig fremd. Besonders die Studioambiance (Umfeld, Licht, Kameras, die wie Kanonen wirken) beeinflusst die Kommunikationsprozesse enorm. Deshalb boomen Medientrainingsseminare. Selbstverständlich sorgen gute Journalisten mit Vorgesprächen dafür, dass sich ihr Gast wohlfühlt. Journalisten sind an guten Sendungen interessiert. Doch: Der Heimvorteil bleibt. Er könnte ebenfalls zu Manipulationszwecken genutzt werden.
Die Macht der Wortwahl.
Ob in einem Text von »Terroristen« oder von »Freiheitskämpfern« geschrieben oder gesprochen wird, ist nicht gleichgültig. Begriffe prägen das Denken. Dass während Kriegen (auch im Golfkrieg oder im Dritten Reich) Vorschriften hinsichtlich »Wahl der Begriffe« verbindlich geregelt worden waren, macht uns deutlich, dass die Wortwahl ein wichtiges Manipulationsmittel ist.
Die Macht, Produkte, Autoren, Veranstaltungen usw. zu fördern (versteckte, »legale« Werbung?).
Gemäss Gesetz hat die SRG einen Kulturauftrag. Wer jedoch im Alltag die Beiträge genauer verfolgt, stellt fest: Es ist gleichsam ein ungeschriebenes Gesetz, dass einer Musikgruppe oder einem interviewten Künstler in der Regel unverblümt ermöglicht wird, einen »Werbespot« für sein Buch seine CD oder das nächste Konzert zu plazieren. Selbst wenn der Künstler seine Hinweise vergisst, liefert meist der Journalist die notwendigen Informationen. Bücher und CD's werden eingeblendet und Veranstaltunger, mit Ort und Daten kostenlos erwähnt. Wer diese Werbesekunden mit den offiziellen Preisen bei Werbespots vergleicht, wird sich bewusst, wie viele Spots eigentlich während der Sendungen den Konsumenten vermittelt werden. Wer manipuliert? Wer wird manipuliert? Ob die Macht des »Literaturclubs« zur Förderung der besprochenen Bücher beiträgt und mit den Besprechungen Bestseller geschaffen werden, ist umstritten. Unbestritten ist hingegen folgende Tatsache: Jene »Unternehmen« und Institutionen, die vor Kamera und Mikrofon die eigene Tätigkeit vorstellen können, profitieren von den Medienpräsenz und kommen allein schon durch die Chance der Präsentation zu einer Gratiswerbung. Dabei liegt es immer in der Hand der entsprechenden Medienschaffenden, welche Thematik, welches Produkt zum Zuge kommt und welche Adressen und Hinweise legal plaziert werden dürfen. Auch in diesem Bereich spielt die Macht der Auswahl von »Denkprodukten« eine Rolle. Es ist gut möglich, dass sogar bei einer kritischen Sendung ein bestimmter Bevökerungsanteil nachträglich das umstrittene »Produkt« aus Neugier erwirbt. Hinter vorgehaltener Hand wird sogar behauptet, dass ein Produzent froh ist, wenn es bei einem Film zu einem Medienwirbel kommt. Denn dadurch explodieren erfahrungsgemäss die Verkaufszahlen. Ob deshalb absichtlich provokative Plakate oder beleidigende Texte verfasst werden (als bewusste Manipulation), bleibe dahingestellt.
Schlussbemerkung:
Die Fülle von Manipulationsmöglichkeiten macht uns bewusst: Medien haben sehr viele Bereiche der Machtausübung, Es muss nochmals betont werden: Dies will nicht beweisen, dass die Medienschaffenden ihre Machtposition missbrauchen. So wie Medikamente gefährlich sein können, Ärzten aber trotzdem das Vertrauen geschenkt werden kann, so dürfen wir den Medienschaffenden gegenüber in der Regel trotz allem vertrauen. Denn: ohne Vertrauen ist keine erspriessliche Zusammenarbeit möglich. Aber Vertrauen schenken will nicht heissen: blind vertrauen. Wer mit Medien und Medienschaffenden zu tun hat, der sollte die Besonderheiten journalistischer Produktion unbedingt kennen. Nur so ist es möglich, mit konkreten Vereinbarungen, Absprachen und Klärungen allfälligen Manipulationen vorzubeugen.
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