3. Digitale Poesie ist nicht Verbesserung, Einlösung oder Übersetzung (post)moderner Schreibweisen.
Es gibt den verbreiteten Glauben, im Computer sei die moderne bzw. postmoderne Literatur sozusagen angekommen, habe das ihr adäquate oder - dem Buchdruck gegenüber - bessere Medium gefunden. Hypertextpapst Jay David Bolter spricht von der Redefinition der Moderne. Und Philippe Castellin macht im Editorial von Alire 10, einem französischen Journal zur digitaler Dichtung eine große Gleichung auf: Auf der einen Seite des Gleichheitszeichens findet sich eine lange Liste: die Poesie, das Individuelle, das Intermediale, Collage, Cadavres exquis, Permutation, Poésie totale, Synästhesie, Multisensorik, Queneau, Schwitters, Pound, Joyce, Petronio, Haussmann, Zaum usw. Auf der anderen Seite steht nur ein einziges französisches Wort: »L'ordinateur«: Mit dem Rechner hat man die ganze Moderne im Sack. Ich halte dergleichen für technologisch borniert, eine Anmaßung gegenüber den Leistungen der Moderne. Moderne Schreibweisen lassen sich nicht medial übersetzen, versucht man es, dann sind die Ergebnisse enttäuschend flach und trivial, bestenfalls didaktisch. Allerdings lassen sich Konzepte aufgreifen und unter veränderten medialen Bedingungen durchspielen. Dann kann es durchaus interessant werden.
Friedrich W. Block:
Acht poetologische Thesen zur digitalen Poesie
http://www.le-txt.de/acht_thesen.htm
|