Klaus Lang
Klaus Lang
Jorge Sánchez-Chiong
Jorge Sánchez-Chiong
KLAUS LANG – JORGE SÁNCHEZ-CHIONG
Diese beiden Komponisten kennen und schätzen einander seit Jahren als Kollegen; ihre erstmalige Zusammenarbeit dürfte hoch spannend werden. Die Gegensätze erscheinen auf den ersten Hör extrem: Chiongs Texturen sind oft sehr voll, üppig und virtuos, mitunter laut, schnell und geprägt von einer komplexen Massivität, manchmal gar einer gewissen Rohheit. Langs akustische Sprache dagegen ist auch in der Geräuschhaftigkeit eher zart, getragen und ruhig, seine Musik evoziert Klangflächen und – tableaus, in denen die Kriterien Zeitlosigkeit, Non-Linearität und Non-Expressivität zum Tragen kommen. Chiongs avancierte Tonsprache beinhaltet bisweilen latent die Impulsivität und Komplexität karibischer Popularmusik, die – wohldosiert angewendet – seine Kompositionen auf neue akustische Plateaus transformiert. Auch die Improvisation hat in seiner Musik in letzter Zeit immer mehr Raum bekommen. In diesem Zuge hat er bereits seit einiger Zeit die Turntables als Instrument angenommen und in seine Kompositionen eingebaut, dies jedoch nie solistisch, sondern stets hinsichtlich des Ensemblespiels. Das Einfügen in Kollektivstrukturen ist für Chiong, der die isolierte Rolle des Komponisten eher skeptisch betrachtet, letztlich auch Ausdruck einer politischen Haltung. Ganz im Gegensatz zu Lang, der politischen Codierungen eher indifferent gegenübersteht bzw. diese nicht explizit sucht, und der seine Stücke klassisch als Individuum setzt. Bei ihm ist die Komposition grundsätzlicher Ausgangspunkt zur Herstellung seiner möglichst abstrakten Klangskulpturen, die letztlich sein intendierter akustischer Fokus sind. Bei all diesen scheinbaren Gegensätzen bestehen jedoch in der Musik von Lang und Chiong auch wesentliche verbindende Momente, die eine Begegnung sinnvoll und höchst anregend erscheinen lassen. Beider Musik zeichnet sich durch die Entstehung großer Flächen aus, zudem verbindet sie der bewusste Gestus des Non-Expressiven und die explizite Vermeidung persönlicher Ausdruckskunst. Lang stellt hier „eine ähnliche Wirkung mit verschiedenen Mitteln“ fest. „Es gibt klare Verbindungen, an die sich anknüpfen lässt. Wir kennen die gegenseitigen Oberflächen und Gemeinsamkeiten. Letztere sind jedoch nicht konstruiert, sondern ergeben sich.“
In das gemeinsame Stück bringt Lang die Orgel – vielleicht auch beide – der Mariahilferkirche ein, während Chiong die Turntables als Kontrapunkt, Re-Definition oder Auflösung verwenden könnte. Beide haben ein non-expressives Ideal von Improvisation. „Es geht darum, sich in der Kunst zu verlieren und nicht auszudrücken“, erklärt Lang. „Man benutzt eine Struktur, um über das eigene begrenzte Denken hinaus zu gelangen – gleich, ob es ein mittelalterliches Kanonregelwerk oder das I-Ging ist.“ Die Struktur ist hier nur Mittel zum Zweck. „Das Ziel“, so Lang, „kann auch das Irrationale und Intuitive sein. Es hat das Potenzial, den Menschen jenseits seiner Eindimensionalität zu ändern. Rationalität ist hierfür vonnöten, aber nur ein Werkzeug, kein Endzweck. Im besten Fall löst sie sich selbst auf und führt sich letztlich selbst ad absurdum.
Text: Marcus Maida
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