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der habicht kämpft
igitt. ich betrachte mich im spiegel, in dem großen spiegel, den ich von einer wohnungsentrümpelung gekauft habe. damit ich mich einmal in ruhe ganz ansehen kann. und es ist ein schock. das bin ich, aber so möchte ich nicht sein. wie habe ich mein ganzes leben bisher so mit mir zubringen können, na ja, um ehrlich zu sein, ich war so überzeugt von meinen inneren werten. aber das ist geschichte, außerdem stimmt es eh nicht. hm hm, was ich sagen will, ist, daß innere werte nicht unbedingt sexy sind. tja, das ist es. viel liebe, aber kein sex. igitt.
so weit war ich schon.
um ehrlich zu sein, so viel sympathie und nettes miteinander staubt mir schon zu den ohren raus. nicht, daß es abzulehnen ist, aber ohne, na, eh schon wissen, bin ich dem etwas überdrüssig geworden.
aber eh klar, bin ich fad.
wo ist mein dickes auto?
wo ist mein schmuckes, schuldenfreies haus oder wenigstens eine geschmackvoll eingerichtete wohnung?
wo ist mein fettes bankkonto?
wo ist mein permanent enthaarter muskulöser oberkörper?
und wenn das alles nichts hilft, wo ist meine hammerfaust, die jeden niederhaut, der mir nicht gefällt oder meine alte schief anschaut, wenn ich dann eine habe weil ich sie mir einfach nehme und vollgas.
wo sind meine extremsportklamotten und supertantrainsiderwissen?
nichts davon da.
nicht einmal als softi bin ich zu gebrauchen, seit mich eine politische gruppe, für die jeder mann ein zumindest potentieller vergewaltiger ist, bei so vielen leuten als möglich als vergewaltiger denunziert hat.
also bin ich wenigstens ein mann. obwohl, eher zu mann gemacht worden. obwohl, das hätts auch nicht gebraucht.
denn was einen richtigen mann ausmacht, siehe oben, fehlt mir trotzdem.
tja, ach, ich vergess das hirngequassel. die trotteligen leute werden immer mehr, je älter ich werde. ist eh nur ein natürlicher vorgang der sogenannten evolution.
obwohl, anders wärs mir mehr recht. daß die leinwanden leute immer mehr werden, je älter ich werde. familie, und nicht nur zu weihnachten und ostern. habe ich eh nichts ausgelassen?
mein anblick im spiegel. pfuh, der schock. na, ich geh trotzdem ein wenig näher ran. bin ja eh nur ich. na ja, die oberärmchen, wie ein zniachtl. die o`hohe stirn, na ja. ein paar haare stehen ab, ich nehm rasch die schere und stutz ein wenig weg. spart den frisörladen. hm, ich finde, meine augen sind okay. ja, meine augen sind gut, vielleicht nicht interessant, aber gut. wenigstens weiß ich, warum ich unmengen an karotten esse.
die zähne, na, kein wort mehr.
was solls. nimms mit humor, denk ich mir. so ein schock hat ja auch was heilsames. zum beispiel, wenn wer überfahren wird oder sonst etwas arges passiert, zum beispiel ein arm abgehackt oder so, dann hat der körper ja auch einen schock.
weil sonst würde man ja gleich an den schmerzen sterben oder so ähnlich.
also ist so ein schock auch für was gut.
ich probier mal ein lächeln. so ein passendes lächeln, daß nicht zuviel von meinen billigprothesenzähnen zeigt und die kläglichen reste meiner naturzähne gut verbirgt. gute frau becker, die mir gratis die zahnprothese gemacht hat. leider ist sie schon tot. viel zu früh gestorben, so alt war sie noch garnicht, höchstens 80 oder so. und wenigstens eine, die sich gefreut hat, daß ich wieder so gut aussehe,hat sie gesagt. so eine liebe frau, warum müssen immer die guten so früh sterben.wenigstens hat sie nicht gelitten, das sagt mir meine innere stimme. die habe ich in dieser hinsicht trainiert bei meinen jobs im altersheim. aber wo war ich. ach ja, beim lächeln.
meine güte, wie sieht das aus. das soll ein lächeln sein. niemals. ich mein, es ist kein grinsen, aber ein lächeln ist das auch nicht. so was von verzogen. das gibts doch nicht. ich probier nochmal. nein. bei den frauen an der supermarktkassa sieht das immer ganz anders aus. gar nicht zu reden von den models. na gut, die haben das gelernt.
aber was ich da fabriziere, das ist zu traurig. das halte ich im kopf nicht aus. wie nach einem schlaganfall. moment mal, ich hatte ja einen hirnschlag. und dazu eine gequetschte lunge und eine ziemliche menge knusprig gebrochener knochen und noch so ein paar kleinigkeiten, nachdem dieser elende lastwagen, gut, es war nur ein kleinlastwagen, über mich drübergerollt war.
aber das ist doch schon geschichte. seit über einem jahr bin ich sogar schon wieder voll arbeitsfähig.
und jetzt kann ich nicht einmal lächeln wenn ich will!
irgendwie eingefroren oder was, ich mein, ich weiß, das es funktioniert, wenn ich lächeln muß.sogar mir passieren ab und an angenehme begebenheiten.
aber ich will! jetzt!
schauderhaft. kläglich. elendige misere. einfach nur schlecht. das sieht nicht gut aus. gute güte. ... ...
moment mal. der kugelschreiber. da war was mit dem kugelschreiber und lippengymnastik. weil das mich eine tolle frau abschmust, mit dem brauche ich nicht zu rechnen. ich meine, träumen ist erlaubt, aber die rechnung geht nicht auf. ich lebe in der wirklichkeit, in meiner wirklichkeit. und da gibt es, jedenfalls im moment, hm, keine tollen frauen die mich abschmusen oder sonstwie ein lächeln auf meine voll gelenkigen süß üppigen lippen zaubern.
aber ich habe einen kugelschreiber, und nicht nur einen, sogar eine ganze menge. und buntstifte, wachsmalkreiden, filzstifte und einen pilot feinzeichner. aber den nehme ich nur für besondere gelegenheiten. also einen kuli, jetzt. da habe ich nämlich einmal ein fotoplakat gesehen in der u-bahn, vor jahren, da hat eine frau einen kugelschreiber eingeklemmt zwischen oberlippe und nase. hat extrem komisch ausgesehen.
die hats nötig, habe ich mir damals gedacht. mich aber erinnert, das wir als kinder auch jede menge blödsinn gemacht haben und uns darüber zerkugelt, vor allem, wenn sich wer dazu überreden ließ, was zu machen das blöde ausschaut.
so.
und ich werde mir jetzt auch einen kugelschreiber unter die nase klemmen. habe ich seit meiner kindheit nicht mehr gemacht. aber nichts ist schlimmer als mein lächeln.
so, den kuli halten mit beiden händen unter die nase. die oberlippe ran. sieht genau so dämlich aus wie bei der frau damals auf dem plakat. aber die hatte es wenigstens freihändig geschafft.
vielleicht hilft es, den mund offen zu halten und die lippe ranziehen.
wahnsinn, furchtbar, wie das aussieht. die oberlippe zieht sich zur nase, die unterlippe irgendwie verbogen und dazwischen schauen ein paar zähne überdimensional raus wie bei einem karnickel.
nein, der mund muß zu bleiben.
ja, so ists besser. warum hält der kuli nicht. hm, meine nase ist recht zierlich, aber das alleine kann es nicht sein. den kopf natürlich gerade halten, ich muß mir in die augen sehen können dabei.
ach, der kuli ist einfach zu fett, ich hab da noch einen anderen, der ist ein wenig schmäler gebaut und ist auch nicht so glatt und rund, sondern hat kanten. ja, es geht ein wenig besser. aber der kuli hält immer noch nicht von selbst.
zähne zusammenbeißen, auch wenn es die falschen sind.
da, es hat geklappt. einen moment lang. meine lippen sind einfach noch zu schwach. aber es wird. der anfang ist gemacht. morgen trainiere ich weiter.
ihr kriegt mich nicht unter.nicht mit euren kleinlastwägen und nicht mit eurem definitionsmachtallemännersindvergewaltigerscheiß und nicht mit euren dicken bankkonten und euren allen möglichen unterkriegenwollen. ich freß eure tabletten nicht! ich will eure protzspiele nicht! die welt kann so schön sein!
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