|
1. Der Eingang
Die Türen gleiten auf wie Wunden.
Der Flur streckt sich, klinisch und lang, als wollte er meine Schritte verschlucken.
Links und rechts: Zimmer, Nummern, Namen, die nichts sagen.
Eine Stimme ruft meinen Namen – nein, nicht meinen. Den Namen, den sie mir gegeben haben.
„Kommen Sie.“
Die Tür schließt sich hinter mir, aber der Raum ist keine Zuflucht.
2. Der Blick
Die Wand gegenüber, kalkweiß, zieht meinen Blick an wie ein Magnet.
Davor der Tisch. Darauf das Plastikbecherchen, klein wie eine Kindertasse,
darin die Pillen, jede ein Versprechen, ein Pakt.
„Für den Schlaf“, sagen sie.
„Für das Herz“, sagen sie.
Aber wer spricht hier? Wer bestimmt?
Ich nehme sie, lasse sie auf meiner Zunge zerfallen, bitter, fremd.
3. Die Menschen
Sie sprechen. Nicht mit mir, sondern mit sich selbst. Oder mit jemandem, den nur sie sehen.
Ihre Worte sind Puzzlestücke, aber ich finde keine Ränder, keinen Rahmen.
Eine Frau erzählt von Engeln. Ein Mann malt Kreise in die Luft.
Ich frage mich, ob ich Teil dieses Bildes bin oder nur ein Beobachter.
Doch dann spüre ich ihre Blicke – und weiß: Sie sehen mich, als wäre ich einer von ihnen.
4. Der Spiegel
Es gibt einen Spiegel im Bad. Kein Glas, nur polierter Stahl.
Ich beuge mich vor, suche mein Gesicht.
Aber das Licht verzerrt alles.
Meine Haut wird zu Wellen, meine Augen zu Löchern, die ins Nichts starren.
Bin ich das? Oder ein Schatten dessen, was ich war?
Ich drehe mich weg. Das Wasser läuft, tropft. Die Zeit vergeht.
5. Der Traum
Nachts: ein Geräusch. Das Surren der Neonlichter. Das Atmen der anderen.
Und dann: die Stimmen.
Nicht von hier, sondern von irgendwo weit weg.
„Du bist falsch“, sagen sie. „Du gehörst nicht hierher.“
Ich will antworten, aber mein Mund bewegt sich nicht.
Ich wache auf. Das Licht blendet.
6. Der Ausgang
„Wie fühlen Sie sich heute?“ fragt die Frau in Weiß.
Ihre Hände halten ein Klemmbrett, ihre Augen bohren sich in mich, als würde sie nach etwas suchen, das ich verloren habe.
„Gut“, sage ich, obwohl ich nicht weiß, ob das stimmt.
„Gut“, sagt sie, und es klingt wie ein Urteil.
Ich gehe. Aber wohin?
|
