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Spillane schrieb am 19.5. 2003 um 22:37:34 Uhr über

kakaogebläht

Meinen Job als Kommissar mache ich jetzt schon fast zwanzig Jahre, aber als ich in dieser Nacht zum Einsatzort kam wußte ich, daß mich hier kein gewöhnlicher Job erwartete, den ich zuhause mit meiner Dienstjacke an den Haken hängen würde. Vor der Haustür des Fundorts warteten die drei Kollegen vom Einsatzdienst auf mich - genauer gesagt, standen sie gekrümmt wie alte Olivenbäume rund um die Fahrzeuge und kotzten sich die Seele aus dem Leib. »Wo ist siefragte ich den jungen Wachmann mit grünem Gesicht, der gerade eine kleine Göbelpause eingeschoben zu haben schien. »Dritter Stock, Chef!« preßte er hervor, »aber wollen sie da wirklich so reingehenDoch ich war schon an ihm vorbeigetreten und ging die Treppen in dem unscheinbaren Mietshaus hinauf. Spätestens ab dem ersten Stock merkte ich, daß hier was nicht stimmte. Meine Schuhe klebten an einer schmierigen Substanz fest, die sich aus den oberen Stockwerken zu ergießen schien. Es war ein bräunlich - schaumiges Sekret daß sich jeder wohlwollenden Einschätzung entzog, am Ende des zweiten Stocks hatte ich Schwierigkeiten, mir meinen Weg durch die knöchelhohe stockende Masse mit ihren ungut schillernden Einschlüssen zu bahnen. Auf der drei empfing mich der bizarre Anblick zweier THW'ler mit Gasmasken, die gerade damit beschäftigt waren, den Rahmen der Wohnungstür auszuhebeln. »Ihr habt das Ding ja wohl hoffentlich vorher auf Spuren untersuchen lassenfragte ich Dieter. Mein Assistent saß noch etwas blasser als gewohnt auf dem Aufgang zum vierten Stock. Bis auf einige ungute Spritzer an den Wänden schienen die darüberliegenden Geschoße nichts abbekommen zu haben. »Sicher Chef. Hab schon das zweite Spurensicherungsteam in einer halben Stunde drangehabt. Nach ein paar Minuten waren die fix und fertig.« »Wo ist siefragte ich möglichst routiniert. Auch ich bekam langsam das Bedürfnis, den Job möglichst schnell und ohne Aufsehen über die Bühne zu bringen. »In der Küche. Wenn das die Küche gewesen istsagte er schwach. Ich betrat die Wohnung. Irgendwer war so klug gewesen, einen kleinen Gehsteig aus Bohlen über den Fußboden zu legen, so kam ich einigermaßen voran. Entschloßen den süßlichen Geruch ignorierend, betrat ich den Raum, der zweifelsohne das Zentrum der Tragödie gewesen sein mußte. In der Mitte lag etwas, mit den Resten eines Gesichts zum Kühlschrank gelagert, in der bizarr aufgedunsenen Hand hielt sie eine Milchtüte geklammert. Sie mußte noch jung gewesen sein, und in einem anderen Leben hätte man sie sicher als hübsch bezeichnet, was bei einem auf das schätzungsweise vierfache der normalen Größe aufgetriebenen Person zugegebenermaßen ein gerütteltes Maß an wohlwollender Phantasie erforderte. Sie war splitterfasernackt, Kleidungsfetzen in ihrem Schulterbereich deuteten jedoch darauf hin, daß die letzten Reste eines Negligees, daß bestimmt nicht immer umbrafarben gewesen war, ihr regelrecht vom Leib gesprengt worden waren. »Liegen Hinweise auf ein Fremdverschulden vorwandte ich mich an Dieter, der mir hinterhergewankt war. »Wir haben Kakao in sämtlichen Körperöffnungen gefundenerwiderte er mit zitternder Stimme, »aber Spuren eines Kampfes - Fehlanzeige. Was immer sie getan hat oder mit sich hat machen lassen, es muß auf Freiwilligkeit beruht habenIch wandte mich kopfschüttelnd ab, selbst mein letzter Sekt im Bauchnabel lag schon zu lange zurück, als daß ich mir hätte ausmalen wollen, was sich in dieser Wohnung abgespielt hatte. Ich ließ die beiden Gerichtsmediziner, die in ihren Schutzanzügen ein wenig aussahen wie eine Kreuzung aus Imkern und Astronauten eine Zahnprobe nehmen und wandte mich zum Gehen, als die schmatzenden Geräusche ihrer Leichenpumpe die unheimliche brauntropfende Stille durchbrach.


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