Hypertext: totalitär-befreiend?
»Man nehme den Hypertext. Alle möglichen Links im System sind vom Programm durch seine Architektur vorgegeben. Das hat einige seiner Kritiker dazu gebracht, ihn nicht als befreiend, sondern als ausgesprochen totalitär zu charakterisieren. Wenn es auch nützlich ist, die Aufmerksamkeit auf die Polititk des Möglichen zu lenken, so ist es doch ungenau, den Hypertext als totalität zu bezeichnen. Dabei wird nämlich nicht {156} berücksichtigt, daß die Codierung nicht die ganze Geschichte ist nd daß das Digitale imer ins Analoge fließt. Das Digitale, eine Form der Nichtaktualisierung, muß aktualisiert werden. Das ist seine Offenheit. Die Freiheit des Hypertextes, seine Potentialiserung, liegt in der Offenheit seiner analogen Rezeption. Der Hypertext-Leser macht etwas, was die Kopräsenz alternativer Zustände im Code niemals machen könnte: akkumulieren, in einer unprogrammierten Weise, in einer Weise, die Resonanzen und Interferenzmuster intensiviert und schafft. Für den Leser überlappt sich der Link mit dem Text. Sie sind nicht extentiv aneinandergereiht, stehen nicht als Alternativen nebeneinander oder außerhalb voneinander. Auch sie sind nicht ineinader als codierte Möglichkeiten eingehüllt. «
(Brian Massumi: Parabeln des virtuellen. Zur Überlegenheit des Analogen, in: Hyperorganismen, S. 139-168, hier: S. 154-155})
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