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Die Leiche schrieb am 24.6. 2008 um 23:07:15 Uhr über

hitler

Gerade lese ich mal wieder in Joachim Fests ursprünglich sehr geschätzer Biographie. Doch von Seite zu Seite wird meine Haltung distanzierter.
Das beständige Bemühen um den »Nachweis« der Minderwertigkeit, Fehlerhaftigkeit, falschen Hohlheit, seiner Vorliebe für »Taschenspieler-Tricks«, seine Armseeligkeit und Banalität geht mir allmählich wider der Strich. Und gegen den Strich gelesen entsteht allmählich so etwas wie ein Blaupause von Fests eigenem Vater, den er in der Autobiographie seiner JugendIch nicht«) portraitiert hatte; an seinem Bild mißt er Hitler. Es ist, etwas salopp formuliert, das Bild eines von altpreussischen Sekundärtugenden durchdrungenen Bildungsspiessers mit liberal-protestantischer Allüre, vor dessen Ansprüchen ein solcher Parvenü aus der Gosse wie Hitler kaum genügen kann.

Wenn es beispielsweise um Hitlers Geschmack für Malerei geht, dessen Plattheit er zu demonstrieren sucht, dann landet man bei einer zwar einseitig orthodoxen, aber doch imponierenden Ansammlung von Koryphären wie v. Menzel, Vermeer, Rembrandt, Feuerbach usw., die auch heute noch zum Kanon dessen gehören, was der Kunstbeflissene zu kennen hat - auch wenn man inzwischen andere, regelmässig neuere, »modernere« Künstler bevorzugt - aber so what ? De gustibus non est disputandum. Daß Hitler Vermeer und Rembrandt mochte, und seine doch sehr weitreichenden Mittel dazu verwandte, ihrer mit teils großzügigen, teils verbrecherischen Mitteln habhaft zu werden - ist das wirklich ein Ausweis seiner beispielosen Niedertracht ? Ich muß an Napoléon und seine Beutezüge durch die Kunstsammlungen der von ihm eroberten Länder denken, an die Raubzüge der Kolonialmächte, die im Namen der Wissenschaft vor den übelsten Räubereien und Grabschändungen bis ins letzte Jahrhundert hinein nicht zurückschreckten - was macht Hitlers diesbezügliche Liebhaberei da so schrecklich ? Mir erscheint es vielmehr sympathisch, daß er zum Teil enorme Preise weit über Markt für seine Akquisitionen zahlte - wenngleich auch regelmässig nicht von seinem privaten Vermögen, sofern diese kleinliche Unterscheidung überhaupt bei einem Diktator Sinn macht. Aber an einer Bestie wie Hitler etwas sympathisch zu finden, ist ja nicht statthaft, gell ? Da lobe ich mir doch die differenziertere Haltung Haffners in seinen »Anmerkungen zu Hitler«, der sorgfältig zwischen Leistungen, Erfolgen, Verbrechen usw. zu unterscheiden suchte.

Und da werden Banalitäten hochgezogen zu Indizien moralischer und psychischer Minderwertigkeit - ich frage mich wirklich, was das soll. So berichtet Fest, Hitler pflegte den Hund, mit dem er gespielt und geschmust hatte, »rüde davonzujagen«, wenn jemand sein Zimmer betrat, der nicht zu seiner engsten Umgebung gehörte. Ich bin zwar nicht der Führer und Reichskanzler, aber auch ich habe meinen Hund mit im Büro, und spiele zuweilen mit ihm. Kommt die »Kundschaft«, dann wird der Hund in seine Ecke verwiesen. Ein Akt ganz normaler Rücksichtnahme eines Hundeshalters gegenüber seinen Mitmenschen. Rüde davonjagen nennt das beispielsweise auch meine Freundin Marina, mit der ich über Hundehaltung im Dauerzwist liege.

Und wenn sich Fest - als letztes Beispiel - darüber mokiert, daß sich der Führer die »Feuerzangenbowle« nach Spörl mit Heinz Rühmann »mehr als 10 Mal« im Führerhauptquartier hätte vorführen lassen - dann empfinde ich letztendlich geradezu eine gewisse Art von Solidarität mit dem Führer: ich kenne den Film nämlich, wie wohl der Führer, fast auswendig.

Letztendlich ist es jener Staatsanwaltliche Gestus, der aus allem und jedem ein Indiz für Schuld zurechtkonstruiert, der die Glaubhaftigkeit von Fests Analyse für mich inzwischen angekränkelt hat.


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