»Ein Publikum, das sich durch pure Missgunst–Haltung von seinen Spielern trennen lässt, ist selbst schuld. Es verbaut sich die Teilnahme an den emotionalen Wogen, die hin– und herschwappen zwischen dem Spielfeld und den Zuschauerrängen. Wer sich von der Zeitung oder vom Fernsehen zum Richter seines Lieblingsspielers machen lässt, ist ein Dummkopf und ein armer Wicht. Wie jene Journalisten, die sonntags und montags ihre «Zensuren» durch die Blätter streuen. Das tun sie in Italien, Spanien, Holland zwar auch, allerdings ohne hiesige Folgerungen. Keine italienische oder spanische Zeitung würde einen wunderbaren Fußballer wie Andy Möller als Heulsuse durch ihre Spalten jagen. Oder einen Amoroso als arbeitsunwilligen Millionario. Dies ist eine Spezialität hetzwütiger deutscher Boulevardjournalisten. Die Bewertungsnote «6» in BILD: «Hat sein Geld nicht verdient», nämlich wegen «Arbeitsverweigerung» ist zwar in einem juristischen Sinne nicht kriminell, in einem politischen aber schon. Hinter ihr höre ich die Folge–Parole «Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen» – eine der Zentralparolen des Faschismus. Sie führte dort zur Schlussfolgerung: «soll auch nicht leben», also ausgelöscht werden.«
Klaus Theweleit: Tor zur Welt - Fußball als Realitätsmodell
Köln 2004, S. 130–131
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