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wuming, am 7.1. 2007 um 00:05:26 Uhr
ethnologie

Michel Leiris (* 20. April 1901 in Paris; † 30. September 1990) war ein französischer Schriftsteller und Ethnologe.

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Leben
2 Werk
3 Literatur
3.1 Werke
3.2 Sekundärliteratur
4 Weblinks



Leben [Bearbeiten]Der aus dem französischen Bildungsbürgertum stammende Leiris, dessen literarische Neigung schon früh zutage tritt, wird von seiner Familie gegen seinen Willen zu einem Studium der Chemie genötigt. Dennoch gewinnt er in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg Anschluss an die avantgardisitschen Künstlerzirkel der Epoche, insbesondere zum Surrealismus; rasch befreundet er sich mit Max Jacob, André Masson, Picasso und anderen. Diese Verbindung hält bis ins Jahr 1929, wonach er die Gruppe verlässt, um größere künstlerische Selbständigkeit zu erlangen. Lediglich mit André Masson, den er in dieser Zeit kenngelernt hatte, verbindet ihn eine lebenslängliche Freundschaft.

Leiris beginnt ein Studium der Ethnologie und gewinnt Kontakt zu Georges Bataille, für dessen Zeitschrift Documents er sich redaktionell engagiert. Zusammen mit Bataille, Roger Caillois und Jules Monnerot gründet er das religionswissenschaftlich inspirierte »Collège de Sociologie«. Von 1931 bis 1933 begibt er sich auf eine Forschungsmission »Dakar-Djibouti« unter der Leitung von Marcel Griaule, einem Kollegen von den Documents. Bei seiner Rückkehr verfasst er einen längeren Traktat über seine Erlebnisse (L'Afrique fantôme), der die Tropenreise zum Modus geistiger Erlösung stilisiert - ein Genre, das bereits Paul Nizans Aden Arabie maßgeblich vorbereitet hatte. Das monumentale Reisetagebuch Leiris' nutzt die Forschungstechniken der Ethnographie, um sie auf seinen eigenen Alltag und die Erlebnisse auf seiner Reise anzuwenden. Die Veröffentlichung dieses Texts führt zum Bruch zwischen Leiris und Marcel Griaule.

Von 1929 bis 1935 unterwirft er sich einer psychoanalytischen Therapie unter Adrien Borel, in deren Verlauf er die Notwendigkeit einer intimen Autobiographie als Voraussetzung für einen Heilungserfolg erkennt - die Grundlage von L'Âge d'Homme (dt. Mannesalter), das 1939 erscheint und eine Fortsetzung in La Règle du Jeu (dt. Die Spielregel) findet, deren vier Bände zwischen 1948 und 1976 erscheinen. 1957 wird er Mitglied des Instituts für Pataphysik. Es folgen Novellen und Gedichte.

Seine ethnologische Karriere kann er nach der Dakar-Djibouti-Reise forcieren und wird Forscher am neu gegründeten Musée de l'Homme. Nach 1945 nähert er sich dem Sartreschen Existenzialismus an und wird Gründungsmitglied der Zeitschrift Les Temps Modernes. Zusammen mit Alioune Diop, Aimé Césaire und Georges Balandier gründet er außerdem 1945 die Présence Africaine. Als ein scharfer Gegner des Kolonialismus wird er Mitunterzeichner des in Frankreich berühmten Manifest der 121. Zu seinen wichtigeren ethnologischen Werken gehört eine Studie über den Eigentumsbegriff im nördlichen Äthiopien, den er aus einer Sartreschen Perspektive analysiert.

Leiris ist ein Neffe von Raymond Roussel.


Werk [Bearbeiten]In Deutschland ist Leiris vor allem durch seinen autobiographischen Roman Mannesalter (1939) bekannt geworden. Techniken seiner surrealistischen Lehrjahre, psychoanalytische Selbstbefragung und ein auf die Deutung des eigenen Lebens gerichtetes ethnologisches Instrumentarium definierten das Genre der Autobiographie neu. Das Buch ist dabei retrospektiv ausgelegt: der 34jährige, geistig wie körperlich zerschlagene Ich-Erzähler bemüht sich um die rückhaltlose Rekonstruktion der frühkindlichen Quellen seiner psychologischen und sexuellen Obsessionen. Der dem Werk seit 1946 üblicherweise vorgelagerte Essay La littérature considerée comme une tauromachie (Literatur als Stierkampf) begründet dies: die völlige exhibitionistische Selbstpreisgabe verwandelt den Schriftsteller in einen Torero, der den monströsen Stier (das eigene desaströse Ich) aufstachelt, um es zu besiegen. Zweck ist nicht so sehr die nostalgische Rückgewinnung einer verlorenen Vergangenheit (Proust), als vielmehr die In-Frage-Stellung der eigenen biographischen Identität, welche, zusammengesetzt aus tiefenstrukturellen Neurosen, sprachlicher Selbstreferenz und getrübten, nur punktuellen Gedächtnisfragmenten, auf ständig neue Weise spekulativ erzeugt werden muss.


Literatur [Bearbeiten]
Werke [Bearbeiten]1925 - Simulacre
1927 - Le Point Cardinal
1934 - L'Afrique Fantôme (dt.: Phantom Afrika 1980)
1936 - Die Nereide des Roten Meeres (dt. 1980)
1939 - L'Age d'Homme (dt. Mannesalter 1975)
1943 - Haut Mal
1946 - Aurora (dt. Aurora 1979)
1948 - Biffures - La Règle du Jeu I (Die Spielregel, 4 Bde. dt. ab 1982)
1955 - Fourbis - La Règle du Jeu II
1958 - La Possession et ses aspects théatraux chez les Éthipien du Gondar
1961 - Nuits sans nuits et quelques jours sans jour
1964 - Grande fuite de neige
1966 - Fibrilles - La Règle du Jeu III
1967 - Afrique Noire: la Création Plastique (zusammen mit Jacqueline Delange)
1969 - Cinq études d'ethnologie
1969 - Mots sans Mémoire (eine Anthologie lyrischer Texte)
1971 - André Masson, »Massacres« et autres dessins
1974 - Francis Bacon ou la vérité criante
1976 - Frêle Bruit - La Règle du Jeu IV
1978 - Alberto Giacometti
1980 - Au verso des images
1981 - Le Ruban au Cou de l'Olympia - (dt. Das Band am Hals der Olympia 1983)
1981 - Das Auge des Ethnographen
1982 - Spiegel der Tauromachie (Miroir de la tauromachie) zweisprachig
1985 - Langage tangage
1987 - Francis Bacon
1988 - A cor et à cri
1989 - Bacon le hors-la-loi
1992 - Zébrage
1992 - Journal 1922-1989
1994 - Journal de Chine
1996 - Miroir de l'Afrique (Posthum herausgegebener Sammelband seiner wichtigsten Afrika-Studien)

Sekundärliteratur [Bearbeiten]Irene Albers & Helmut Pfeiffer Michel Leiris - Szenen der Transgression München: Fink, 2004
Hans-Jürgen Heinrichs Ein Leben als Künstler und Ethnologe. Über Michel Leiris Frankfurt: Fischer, 1992
Stephan Moebius DIE ZAUBERLEHRLINGE. Soziologiegeschichte des COLLÈGE DE SOCIOLOGIE 1937-1939 (Georges Bataille, Michel Leiris, Roger Caillois und die Wirkungen auf Foucault, Lévinas, Nancy, Maffesoli, Baudrillard und Derrida) Konstanz: UVK, 2006 ISBN 3896695320


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