Die Straße, auf der die Gesandtschaften zwischen Peking und der Hauptstadt von Korea reisen und der Handel sich bewegt, führt durch das Kao-li-mön. Ich kam jedoch nicht auf dieser Straße, sondern vom Süden her, nach einer Landreise entlang der Westküste und Südostküste der Halbinsel Liao-tung. Vierzehn Meilen von der Küste erreicht man den großen Handelsplatz Fong-whang-tschin (Fong-whang ist ein sagenhafter Vogel der Chinesen, ungefähr dem Phönix entsprechend). Zwei Meilen östlich davon ist das „Thor von Korea“. Ich erwartete hier einen größeren Platz zu finden, mit Grenzmauer und Festungsthor, oder wenigstens einen monumentalen Bau. Nichts von alledem. Das berühmte Kao-li-mön (Kao-li, chinesische Bezeichnung von Korea, mön „Thor“) ist ein kleines Wachthäuschen mit einer Durchfahrt für einen chinesischen Karren. Daran schließen sich westlich einige Gasthäuser und Hôtels garnis und die Waarenhäuser der Chinesen, östlich die Waarenlager der Koreaner unter freiem Himmel. Der Ort liegt in einem kleinen Thal, das sich von Südost nach Nordwest zieht. Der Bach wendet sich dann im Bogen über Nord und Ost nach Südost zurück, und ist einer der Zuflüsse des großen koreanischen Flusses Yalu-Kiang. Dieser Bogen umschließt das steilwandige Granitmassiv des Fong-whang-schan. Seine polygone Gestalt, die imposanten, massiven Formen des Unterbaues, und die Zerrissenheit des Oberbaues in Pyramiden und Obelisken geben diesem ungefähr 2500 Fuß hohen Gebirgsstock einen festungsartigen Charakter, und machen ihn zu einer vortrefflichen Grenzmarke. Südlich vom Thal bestehen die Berge auch aus Granit. Aber sie steigen mit sanften, vielfach unterbrochenen Gehängen an, die in ein üppiges Grün gekleidet sind. Sie bilden einen langen Rücken von ungefähr 1700 Fuß Meereshöhe. Der schmale Thalboden ist mit Feldern bedeckt, und mehrere Dörfer sind darauf zerstreut; eine Fahrstraße für zweirädrige Karren windet sich hindurch. So geht es fort bis zu dem Wachthaus in einer Linie, die an demselben vorüber quer durch das Thal zieht. Oestlich davon erweitert sich das Thal mit gleichbleibendem Charakter seiner beiden Seiten. Aber der Boden des Thales ist nicht mehr angebaut, und es ist kein Haus zu sehen; nur eine weite Grasfläche mit einem Saumpfad, der sich hindurchwindet. Ein kleiner Graben, der sich vom Wachthaus quer durch das Thal an beiden Abhängen hinaufzieht, trennt beide Gebiete: Anbau und Bevölkerung im Westen, Wildniß im Osten.
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