Ab Donnerstag ist im Berliner Naturkundemuseum ein neuer Dinosaurier zu sehen — und was für einer: Tristan, 66 Millionen Jahre alt, ist das erste echte Tyrannosaurus-Rex-Skelett, das außerhalb der USA öffentlich zu sehen ist.
Ist das Skelett eines Tyrannosaurus Rex denn so etwas Besonderes? Sogar das Museum der Uni Manchester hat eines. Das berühmte Museum of National History in New York auch, und so weiter. Im Kinofilm „Nachts im Museum“, der im Smithsonian in Washington gedreht wurde, wird Ben Stiller sogar von einem T. Rex durch die Gänge gejagt. Offenbar muss man förmlich fliehen vor den Dingern.
Wer genau hinschaut, sieht jedoch ein anderes Bild. Das Exemplar in Manchester: nur ein Abguss, kein Original. Es ist eine der rund 30 Kopien, die von einem 1987 ausgegrabenen, mehr als 65 Millionen Jahre alten Fleischfresser namens Stan gemacht wurden, der in einer Forschungseinrichtung in South Dakota steht. Der Gigant aus New York: eine Puzzle-Montage aus zwei verschiedenen, jeweils stark unvollständigen Fossil-Skeletten. Der Tyrannosaurus im Smithsonian: original, zwar nur zu 46 Prozent erhalten, aber immerhin. Wer bisher eines der sechs öffentlich zugänglichen T.-Rex-Exemplare sehen wollte, musste sowieso in die USA reisen.
Das ändert sich jetzt. Und genau das ist der Grund, warum derzeit um das brandneue Luxusexponat des Berliner Museums für Naturkunde ein Dino-Hype veranstaltet wird, als würden drei neue „Jurassic Park“-Filme gleichzeitig ins Multiplex kommen. Denn Tristan Otto — so nennt sich der neue Freund, der ab Donnerstag in den Hallen besichtigt werden kann — ist der allererste fossile Tyrannosaurus Rex überhaupt, der außerhalb der Vereinigten Staaten in einem Museum gezeigt wird. Technische Daten: gut geschätzte 66 Millionen Jahre alt, rund zwölf Meter lang, dreieinhalb Meter hoch. Und 157 Einzelknochen — weniger zwar als die rund 250, die vom Vorzeige-Saurier Sue erhalten sind, der in Chicago steht. Tristans Kopf allerdings setzt der paläontologischen Sensation die Zahnkrone auf: Der zu 98 Prozent vollständige Schädel ist mutmaßlich der besterhaltene T.-Rex-Kopf der Welt.
Aber warum kommt der ausgerechnet nach Berlin? Und: Woher hat das Museum in dieser notorisch budgetverkrachten Stadt bloß das Geld bekommen, um sich einen solchen Dino-Kracher leisten zu können?
Ich wollte den T. Rex nicht in der Garage lassen.
Niels Nielsen, Besitzer
Dazu muss man kurz Tristans Geschichte erzählen: Ausgebuddelt wird er schon im Sommer 2012, im nördlichen US-Bundesstaat Montana — dort liegt die Sedimentgesteinsformation Hell Creek, die für ihre spektakulären Fossilienfunde berühmt ist. Durch diverse Kanäle hört der Dino-Sammler Niels Nielsen von dem sensationell gut erhaltenen Skelett. Der gebürtige Däne arbeitet in gehobener Position bei einem Londoner Steuerberatungsunternehmen und investiert sein Privatvermögen seit Jahren in teure Kreidezeit-Fossilien.
Wie viel Nielsen am Ende für das Skelett aus Hell Creek bezahlt hat, ist unbekannt. Zur groben Orientierung: 2012 wurden die Knochen eines Tyrannosaurus Bataar für mehr als eine Million Dollar auf einer New Yorker Auktion verkauft. Rund 50 mehr oder weniger vollständig ausgegrabene Tyrannosaurus-Fossilien sollen sich derzeit in weltweitem Privatbesitz befinden, die meisten unter Verschluss.
Dass ausgerechnet Tristan — benannt nach Nielsens sechsjährigem Sohn — nun ins Museum kommt, hat laut offizieller Version rein gar nichts mit finanziellen oder forschungspolitischen Mauscheleien zu tun. Der Besitzer wollte offenbar sicherstellen, dass die gewaltige Menge an aufschlussreichen Daten, die der Fund eröffnet, wissenschaftlich effektiv ausgewertet werden kann.
Tristans Zähne und Schädelknochen zeigen, dass er im Gesicht diverse Entzündungen und Geschwüre hatte. Saurier-Mietgebühren verlangt der Besitzer nicht. Unter anderem soll im Lauf von Tristans drei Jahren im Museum auch ein komplettes 3D-Modell des Tieres erstellt werden — inklusive aller Mutmaßungen, mit denen die Millionen Jahre alten Wissenslücken gefüllt werden müssen. Einige der großen Fragen wird der neue Berliner T. Rex womöglich beantworten können. Groß genug ist sein Maul ja.
www.wired.de/collection/science/der-neue-t-rex-im-berliner-naturkundemuseum-ist-eine-wissenschaftliche
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