Eine Liebesgeschichte mit unglücklichem Ausgang, an dem die Code-Differenz einen wesentlichen Anteil hat, erzählt der Film ^La Dentellière^ (Die Spitzeklöpplerin) von Claude Goretta, nach dem Roman von Pascal Laine (Paris, Gallimard).
Ein junges Mädchen, Angestellte in einem Schönheitsinstitut, lernt im Urlaub in einem kleinen, französischen Küstenort einen Studenten kennen. Die beiden lieben sich; sie zieht zu ihm. Aber die Art, sich auszudrücken, ist bei beiden zu verschieden.
Wir haben bis jetzt von Code-Unterschieden gesprochen, welche die Paarbeziehung gefährden können, wenn nicht starke Gegenkräfte vorhanden sind. Nun ist aber neben dem Fall des Code-Unterschiedes noch ein anderer Fall denkbar: BEIDE Partner haben einen so mangelhaften Code, daß die Beziehung darunter leidet. Von allen möglichen Störungen ist dieser Fall besonders schwer objektiv festzustellen. Es wäre dazu nötig: Entweder: Ein Dritter beobachtet die beiden Partner und ihre Sprache - dies ist an sich schon problematisch, und es würde wahrscheinlich zu einer Unschärferelation, das heißt zur Beeinflussung des zu beobachtenden Tatbestandes durch die Beobachtung führen. Oder, als andere Möglichkeit: Das Paar äußert sich selbst über sein sprachliches Ungenügen: ^unser Code reicht nicht für das, was wir uns zu sagen hätten, seine Beschränktheit (oder was immer es ist) stört unsere Beziehung^.
Nun kommen solche Äußerungen tatsächlich oft vor - aber sie sind ein Zeichen von Nachdenken über die eigene Kommunikation und ihre Grenzen, also metasprachlich (mit Hilfe von Sprache über Sprache redend). Die Klage über die Unzulänglichkeit des eigenen Code kommt deshalb in der Regel gerade dort vor, wo man bereits über einen differenzierten Code verfügt, aber weiß, daß er noch nicht hinreicht, das Eigentliche, Wesentliche zu sagen - besonders häufig findet sich diese Klage über die Grenzen der eigenen Sprache überhaupt bei Dichtern (man denke etwa an Hoffmansthals 1 Brief des Lord Chandos^). Das SUBJEKTIVE Gefühl des sprachlichen Ungenügens - als Einzelner oder als Paar - ist möglicherweise fast umgekehrt proportional zum OBJEKTIVEN Ungenügen, sofern es so etwas überhaupt gibt.
Man hat also in der gewöhnlichen, außerliterarischen Wirklichkeit Schwierigkeiten mit dem Fall des beidseitig schlechten Code, von dem wir annehmen können, daß er existiert.
Hingegen finden wir in der Literatur, vor allem im modernen Drama, etwa bei Ödön von Horvath (^Geschichten aus dem Wiener Wald^, ^Kasimir und Karoline^) oder bei Harold Pinter (z.B. ^The Room^) Beschreibung von Auswirkungen ungenügender Codes. Am konsequentesten ausgeführt sind diese Dinge in den Stücken von Franz Xaver Kroetz (z.B. ^Michis Blut^, ^Heimarbeit^, ^Hartnäckig^, ^Männersache^, ^Oberösterreich^); man hier geradezu von Modellen oder von einem Modell sprechen.
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