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Fischer bedroht Waigel mit Küssen
Bonn, 31. Januar 1997 (AFP) - Wenn sich Helmut Kohl, Oskar Lafontaine und die anderen Bundestags-Matadoren zu den großen Themen Fakten und Vorwürfe um die Ohren schlagen, werden sie von Abgeordneten-Kollegen manchmal weniger auf Inhalte als auf rednerische Leistungen abgeklopft.
Am Freitag in der Arbeitsmarktdebatte des Bonner Bundestags war das nicht anders. »Kohl war nervös«, urteilte die Fraktions-Sprecherin von Bündnis90/Grüne, Kerstin Müller, im Anschluß an die einstündige Kanzlerrede. Nicht nur die Opposition sah das so: »Er war schon mal lockerer«, sagte auch der CDU-Abgeordnete Erich Fritz. Die Regierungserklärung sei keine großartige rhetorische Leistung, sondern eine Vorlage von Fakten, meinte ein anderer CDU-Parlamentarier.
Besonders »köstlich« wünschte sich der Bundeskanzler zu Beginn seiner Regierungserklärung die Debatte, als ihn bereits die ersten lautstarken Zurufe aus der Opposition unterbrachen. »Mich stört das wirklich überhaupt nicht«, beteuerte der Kanzler ob der provozierenden Rufe von links. Doch er wurde sichtlich ärgerlicher, als sich die Geräuschkulisse zunehmend über seine Beschreibungen des expandierenden Welthandels, der deutschen Export-Erfolge und der stabilen Preise in Deutschland legte. Zweimal mußte Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth dem Redner ausdrücklich Gehör verschaffen.
Insgesamt fanden die Unionsabgeordneten aber die eher dröge Rede ihres Kanzlers sei »dem Ernst der Lage angemessen«. Schließlich verleiteten die hohen Arbeitslosenzahlen von mehr als vier Millionen nicht zur Euphorie. Eine CDU-Abgeordnete wußte aber, weshalb der Kanzler nicht zu Hochform auflief. Er sei »kohlscher«, wenn er keine strenge Vorlage mit vielen Fakten habe. Auch der CDU-interne Streit um die Rentenreform mag dem Kanzler etwas auf die Redner-Laune geschlagen sein.
Witz entsprang Verärgerung
Auch Lafontaine gelangen spontane Äußerungen. So ärgerte er sich zunächst darüber, daß er hohen und niedrigen Eingangssteuersatz verwechselt hatte. Dann bügelte er den Schnitzer jedoch damit aus, daß er den Lachern aus der Koalition zurückgab: »Sie versprechen sich offensichtlich nie. Bei Ihnen habe ich manchmal den Eindruck, Sie versprechen sich einzig und allein, wenn Sie einmal die Wahrheit sagen.«
Von allen Beschimpfungen, Drohungen und Ankündigungen an diesem Debattentag war aber die des Grünen-Fraktionssprechers Joschka Fischer an die Adresse Waigels die nachdrücklichste: Wenn es Waigel tatsächlich gelingen sollte, bei der Steuerreform eine Entlastung von 30 Milliarden Mark herauszuholen, will Fischer den Finanzminister - küssen.
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Letzte Änderung: 08.04.1997 18:09 von jo
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