Darüber, wie man sich fühlt, wenn man arbeitslos wird, brauch ich nun wirklich keine Vorträge.
Als ich Anfang der 90er arbeitslos wurde, war ich das genau zwei Tage lang. Heike war mit unserem ersten Kind im 6. Monat schwanger. Ich hab mir dann 'n Gewerbeschein geholt und mich von meiner Abfindung ganz ohne Staatsknete (Stichwort Ich-AG) selbständig gemacht.
Wenn ich bedenke, wie gut es heutige Arbeitslose dagegen haben, wie sie staatlich subventionierte Fortbildungen zu sämtlichen Themen der Selbständigkeit vorn und auch hinten kostenlos reingeschoben kriegen, wie sie in den ersten Monaten der Selbständigkeit Staatsknete kassieren, um davon leben zu können usw.usf. finde ich das ALG II-Gejammre nur noch erbärmlich und selbstgerecht.
Ich kenne ausschließlich Langzeitarbeitslose, die drauf warten, das ihnen jemand einen ihrer eingebildeten Qualifikation entsprechenden Traumjob auf dem Silbertablett in der Stretchlimo vor die Haustür karrt. (Zitat: „Ne, auf den Job für das Geld hab ich nun wirklich keinen Bock“. Meine Antwort: „Und deshalb muss ich weiter auf meinen Job Bock haben und weniger Geld kassieren, als meine Firma mir zahlen könnte, um Deine Arbeitslosenhilfe zu mitzufinanzieren“, hinterließ übrigens nichts als hilfloses Schweigen – keine Argumente!)
Meine Meinung, diese Herrschaften müssen wohl spätestens ab 1.1.2005. einsehen, dass sie nicht arbeitslos wurden, weil ihre Qualifikation/Produktivität im letzten Beruf so überragend war (das war definitiv auch bei mir der Grund warum ich arbeitslos geworden war) bzw. nicht arbeitslos bleiben, wie ihre Ausbildung/Qualifikation so exzellent ist.
Ich finde es gut, dass Hartz IV den Menschen, denen diese Einsicht fehlt deutlicher denn je nahe legt, einfach in ihrer Karriereplanung noch mal einen Schritt zurück zu gehen und darüber nachzudenken, *was* sie *wirklich* können und eben das (egal ob selbständig oder abhängig beschäftigt) auch zu leisten.
Es kann ja wohl nicht zu viel verlangt sein, dass ein gesunder Erwachsener Mensch alles in seiner Kraft (inkl. zur Not nem unterqualifizierten Job z.B. als Müllkutscher) stehende tut, um verdammt noch mal selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen zu können.
Als wir im letzten Jahr übrigens in unserer Firma Kurzarbeit (heute nennt sich das Teilarbeitslosigkeit) einführen mussten, weil einfach nicht genug Aufträge akquiriert werden konnten, waren es interessanter Weise die Mitarbeiter, die keine deutschen Wurzeln (z.B. Eltern aus der Türkei) hatten, die als erste einen Nebenjob (dessen Verdienst Ihnen auf das Teilarbeitslosengeld angerechnet wurde) gefunden hatten. (Dabei arbeitete übrigens ein hoch qualifizierter Fachinformatiker als Reinigungskraft und nahm zur Unterstützung des Familieneinkommens gleich seine frau noch mit zum putzen - das nenne ich Engagement in eigener Sache). Ob wohl bei deutschstämmigen Arbeitnehmern das Hängemattendenken ausgeprägter ist?
Dass darüber hinaus gleichzeitig Schwarzarbeit stärker bekämpft und härter bestraft wird ist echte soziale Gerechtigkeit. Schwarzarbeit ist asozial und unsolidarisch nicht ihre Bekämpfung. Diese Bekämpfung der Schwarzarbeit nämlich erhält die Grundlagen des solidarisch finanzierten Sozialstaates aufrecht. (Laut gestern veröffentlichter Schätzung des statistischen Bundesamtes arbeiten jährlich bis zu 10 Millionen Menschen in Deutschland schwarz.)
Ich kenne übrigens einen einzigen Fall in dem jemand in die Sozialhilfe geraten ist, weil er über viele Jahre krank war (Diagnose mit vielen Fragezeichen: „Hirntumor“) und sich dazu noch ne selbstverursachte Scheidung geleistet hat. Diese Leute nun wiederum sind von Hartz IV überhaupt nicht betroffen, weil sie sowieso keine Arbeitslosenhilfe mehr beziehen, sondern ausschließlich Sozialhilfe, die ja auch durch Hartz IV nicht eingeschränkt wird.
Ich kann nur sagen „Völker hört die Signale“ die Zeit zum Abwarten und Hände in den Schoß legen (oder maximal die eine oder andere Bewerbung schreiben) sind vorbei. Tun ist gefragt nicht abwarten. Es lebe der 1.1.2005.
|