R. Meir (ii. Ih.)
HERR, KANNST DU'S ERTRAGEN?
Seufzen, Wimmern,
lammerklagen!
Schwerter klirren,
Die mein armes Volk erschlagen,
Das die Mörder
Noch zu höhnen wagen,
Die Entsetzten, Müdgehetzten
Aus dem Lande jagen!
Felsenriffe
13[uten, wo wir sterbend lagen Kannst du, Herr, kannst du's ertragen?
Pest von Schwindlern
Hören wir uns schelten,
Als Verruchte, als Verfluchte
Läßt man uns nur gelten;
Unter Schauern kauern
Wir in Höhlen - Todeszelten,
Wo die Leiber unsrer Weiber,
Unsrer Kleinen sie zerschellten.
So verachtet, hingeschlachtet,
Muß ich, muß verzagen -
Kannst du, Herr, kannst du's ertragen?
Feinde pflanzen
Zahllos auf die Zeichen, Schleudern Speere,
Die das Herz erreichen,
Raufen, schänden das Gesicht mit Bränden, Füllen Gruben mit den Leichen.
Wenn im Tage
Tiefgeduckt wir schleichen,
Spähn die Schergen von den Bergen.
Auf uns loszuschlagen -
Kannst du, Herr, kannst du's ertragen?
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Vorn die einen,
Andre stehen im Rücken;
Wie mit Sägen sie zu Schlägen
Und mit Äxten an uns rücken!
Ammon, Amalek, sie alle
Oben Tück' auf Tücken,
Edom tut es allen
Vor, uns zu bedrucken;
Mord und Tod erwartet,
Die sich ihm nicht bücken!
Eingeschlungen, was errungen
Unter Müh und Plagen -
Kannst du, Herr, kannst du's ertragen?
Wie wir stöhnen
Unter solchen Ruten,
An Gestrüpp und Dornen
Uns verbluten!
Warum den Tyrannen
Gabst du preis die Guten,
Löwen uns zur Beute,
Wilden wasserfluten?
Wie am Nacken roh sie packen,
Schimpf ins Antlitz sagen -
Kannst du, Herr, kannst du's ertragen?
Sieh in Not und Drangsal
Uns der Hoffnung leben!
Hör uns rufen an den Stufen
Deines Throns mit Beben!
Laß der Armen dich erbarmen
Die ihr Herz dir geben!
Darfst, aus Ketten uns zu retten,
Uns wie eins zu heben,
Darfst, zu trösten die Erlösten,
Daß in Lust sie schweben,
Darfst nur unsre Tränen fragen -
Kannst du, Herr, kannst du's ertragen?
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