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Liquidationsdefensive schrieb am 9.1. 2004 um 21:18:53 Uhr über

altsteinzeitlicheWerfernaturen

Es gab einmal den unglaublichen, naturtalentierten und über Jahre alle olympische und weltmeisterschaftliche Konkurrenz in den Schatten stellenden Schweizer Kugelstosser Werner Günthör (mit zwei Umlauten auf engem Raum), an den ich mich eigentlich nur aufgrund eines Interviews mit dem wackeren Oliver Sven Buder erinnern kann, der Günthör so gut wie immer um zweistellige Zentimeterwerte - was wohl Welten im Kugelstossen sind - unterlegen war. Auf die Frage eines Sportjournalisten, was denn seines Erachtens die Sonderklasse von Günthör ausmache, antwortete Buder, er wisse es auch nicht, der Günthör komme einfach die Berge herunter, nehme die Kugel und stoße sie, fertig! Seines Wissens würde dieses Schwergewicht von der Alm nicht einmal ordentlich trainieren, isst und trinkt, was er will, und er hätte wohl schon als Kind in der dünnen lungenexpandierenden Luft der Hochalpen Baumstämme geworfen und Holz gehackt. Freilich gehört Günthör damit eher zur Gruppe der hochalpinenStossernaturen. Außerdem ist die perfekte Geometrie seiner Kugel altsteinzeitlich unglaubwürdig. AltsteinzeitlicheWerfernaturen sind allerdings auch nicht unter den Speerwerfern zu finden, die viel zu viel Anspruch an die Eleganz des Wurfes als solchem stellen, die mit den Notwendigkeiten und der Zweckorientierung des Werfens in der Altsteinzeit mir unverträglich zu sein scheint. Völlig auszuschließen ist auch der Diskuswerfer, der mit entschieden zuviel altgriechischer Würde und leibphilosophischer Exemplarität ausgestattet ist und dessen zugegebenermaßen aufs Herrlichste in rasender Fahrt durch die Lüfte schwebende und gleitende Wurfobjekt die Finessen der Technik und Aerodynamik in mindestens mal jungsteinzeitlicher Fortschrittlichkeit ausnutzt. Als heißer Kandidat für altsteinzeitlicheWerfernaturen bleibt also der Hammerwerfer, dessen ungezügelte Brachialität des Werfens, selbstverständlich mit ohrenbetäubendem Getöse und Gebrüll verbunden, ein so befreiender Anblick für den Betrachter ist, dass er sich nur schwer zügeln kann, in den nächsten Baumarkt zu laufen und dort erst einmal tüchtig aufzuräumen. Dagegen ist natürlich Schlagballweitwurf, eine der Strafdisziplinen der Bundesjugendspiele, von einer geradezu lächerlichen und wiederum vorsteinzeitlichen Armut, schon dieses albernen tennisballartigen Wurfgeschosses aus Leder, Fell und Haaren wegen. Nein, altsteinzeitlicheWerfernaturen müssen Steine geworfen haben, was sonst, und ich glaube, sehr gut mit solch einem werfenden Vorfahren fühlen zu können, da ich seit eh und je die Tradition des oberbayrischen Werfens von oberbayrischen Steinen über oberbayrische Seen auf oberbayrische Inseln pflege. Dem Ehrgeiz, Inseln vom Ufer werfend zu erreichen, bin ich verfallen, nachdem mir ein Tiroler jenseits von Füssen oder Pfronten oder Dingenskirchen wirkender Sprituosenhändler, der mich einmal im Wurfwahn beobachtet hatte, eine Flasche Obstler versprochen hatte, falls ich denn jene Insel, die das Ziel meiner Anstrengungen war, wirklich erreichen sollte, für mich als damals etwa Vierzehnjährigen ein hochinteressantes Angebot, ganz abgesehen von dem beträchtlichen Ruhm, den ich mir von einem Erfolg versprach. Der Ehrgeiz hat sich am Ende ausgezahlt, wenn ich auch den Gewinn teilen musste: den Ruhm hatte ich für etwa eine Stunde, den Schnaps mein Vater für etwas mehr als eine Stunde.


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