Die Reichsacht (auch Acht, v. althochdt. ahta = Verfolgung) war eine im Mittelalter vom König bzw. Kaiser, in der Frühen Neuzeit vom König bzw. Kaiser unter Mitwirkung der Reichsgerichte verhängte Ächtung, die sich auf das ganze Gebiet des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation erstreckte.
Mittelalter
Im Mittelalter war die Rechtspflege und die staatliche hoheitliche Verwaltung noch nicht hinreichend aufgebaut, so dass oftmals Gerichtsurteile nicht wirksam vollstreckt werden konnten und die Täter die Möglichkeit hatten, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Durch die Ächtung wurde die Rechtshilfe der ganzen Rechtsgemeinschaft angerufen: der Täter wurde rechtlos gestellt, und jeder aus der Rechtsgesellschaft, der dies vermochte, konnte den Täter dem Gericht zuführen oder ihn unschädlich machen.
Schon bei den Germanen wurden Verbrecher geächtet und somit außerhalb der Gesellschaft gestellt. Nach dem Gerichtsspruch des Königs bzw. des Hofgerichts galten sie als Geächtete oder Vogelfreie.
Sie verloren ihre Rechtsfähigkeit und konnten von jedermann ohne Strafe getötet werden. Ihr Vermögen verfiel, es konnte von jedermann an sich gebracht werden. Die Lehnsgüter aber fielen an den König, der die Acht ausgesprochen hatte, oder an den Lehnsherrn.
Aus der Acht konnte sich nur lösen, wer sich dem Gericht und der Strafe stellte. Tat er das nicht, verfiel er im Mittelalter nach einer gewissen Zeit (Jahr und Tag) der Aberacht (auch Oberacht). Sie führte zur vollen Friedlosigkeit des Angeklagten und war anfangs nicht ablösbar (später jedoch wurde auch sie ablösbar).
Vor der Lösung der Acht mussten die Gläubiger befriedigt und eine Lösungsgebühr bezahlt werden. Durch die Lösung von der Acht erhielt der einstmals Geächtete seine volle bürgerliche Stellung und auch sein Vermögen wieder. Er wurde in den Stand wiedereingesetzt, der bestand, bevor er in die Acht erklärt wurde. Dritte, die während der Achtzeit das Vermögen des Geächteten innehatten, mussten ihm das Vermögen wieder herausgeben (sie durften aber die Nutzungen behalten, die sie während der Zeit der Acht daraus gezogen hatten).
Seit 1220 konnte die Reichsacht nicht nur vom römisch-deutschen König bzw. vom Kaiser ausgesprochen werden, sie folgte fortan auf Grund des Artikels 7 der Confoederatio cum princibus ecclesiasticis dem Kirchenbann nach nur sechs Wochen quasi automatisch: ohne gesonderte Anklage, ohne Prozess und ohne reichsrechtliche Verurteilung. Später wurde sie von Reichsgerichten, etwa Femgerichten oder dem Reichskammergericht unter Mitwirkung des Königs bzw. Kaisers verhängt. Die Reichsacht erstreckte sich seit dem Mainzer Landfrieden von 1235 (Artikel 25 und 26) automatisch auch auf Personen und Städte, die Geächteten Schutz und Hilfe boten.
Da seit 1220 Reichsacht und Kirchenbann Hand in Hand gingen, stammt daher die Formel In Acht und Bann. (Genauer hierzu: Eichmann, Eduard: Acht und Bann im Reichsrecht des Mittelalters, Paderborn 1909.)
Frühe Neuzeit
Kaiser Karl V. musste 1519 zu seiner Wahl Zugeständnisse machen (Wahlkapitulation). Seitdem konnte er als Kaiser die Acht nicht mehr ohne die vorherige Durchführung eines Ächtungsverfahrens verhängen.
In der weiteren Neuzeit ging die Unterscheidung zwischen Acht und Aberacht verloren. „Acht“ war dann meist eine nur wenig abgeschwächte Form der mittelalterlichen Aberacht.
Die Acht wurde in der Frühen Neuzeit vor allem verhängt bei
* Nichterbringen bestimmter wichtiger Reichssteuern
* Majestätsverbrechen (crimen lesae maiestatis)
* Landfriedensbruch
* Ungehorsam einer Partei in einem gerichtlichen Prozess (z.B. wegen Nichterscheinens, obwohl man durch das Gericht geladen wurde, oder wegen Nichthandelns, obwohl man durch das Gericht zu einer bestimmten Handlung aufgefordert wurde – sog. Contumaxacht)
Personen, die mit der Reichsacht belegt wurden
Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die mit der Reichsacht belegt wurden, zählen
* 1180 Heinrich der Löwe wegen seiner Weigerung, Kaiser Friedrich I. Barbarossa militärisch zu unterstützen
* 1208 Otto VIII. von Wittelsbach wegen der Ermordung König Philipps von Schwaben
* 1225 Graf Friedrich von Isenberg wegen des Totschlags seines Onkels Engelbert II. von Berg, Erzbischof von Köln
* 1235 König Heinrich (VII.) auf Grund der Empörung gegen seinen Vater Kaiser Friedrich II.
* 1512, 1518 Götz von Berlichingen erst wegen Räuberei, dann wegen erpresserischen Menschenraubs
* 1521 Martin Luther und seine Anhänger im Wormser Edikt wegen Ketzerei und Kirchenspaltung
* 1546 Johann Friedrich I. und Philipp I. im Zuge der Auseinandersetzung um den Schmalkaldischen Bund
* 1566 Wilhelm von Grumbach wegen Landfriedensbruchs
* 1621 Friedrich V. von der Pfalz sowie Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg, Christian I. von Anhalt-Bernburg und Georg Friedrich von Hohenlohe-Neuenstein-Weikersheim
* 1793 Georg Forster wegen seiner Zusammenarbeit mit der französischen Revolutionsregierung aufgrund eines Dekrets Kaiser Franz’ II.
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