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E256 Sagesätze schrieb am 26.7. 2003 um 01:30:38 Uhr über

Zweieck

du bist hier, sitzt im anderen raum.
ich bin hier, im zimmer. keine lust aufs hier, aufs leben: es ist zu schön. es ist als wenn du etwas tust, und es gleich im nächsten moment wieder negiert wird. du freust dich. aber die freude ist endlich. das ist alles verdammt. musik ist so schön. meine seele könnte ich hingeben für sie. aber sie findet ein ende. die nacht findet ein ende. die menschen gehen, auch die einzigartigsten. alles ist endlich. das ist der traurige, nostalgische schluss dieser nacht. es gibt enden, und sie ragen aus dem einheitsbrei des hier und sie sind nicht schön. es sind abschiede.
diese erfahrung war einzigartig. keine großen worte sind zu finden, ich suche sie auch nicht.
wenn das gefühl, dass innersten kreise sich etwas dreht und bewegt wird, wenn man das gefühl hat, im kreise anderer menschen verstanden zu werden: das ist das allerhöchste glücksgefühl.
die erste woche war verschwendung. sie war lahm und leer, voller seltsamer kontaktscheu. doch am ende, und das mag nostalgie sein: alles wird wunderbar. ich war schon in vielen gruppen und auf vielen freizeiten. aber hier sind die interessantesten, die sozialsten, die nettesten menschen.
was aber nun tun mit dieser überschwemmung? nicht viele wege kenne ich aus solchem unheil. einige feiern den rest, andere betrinken ihn. weitere verharren in ihrer nostalgie. ich sehe die zeit als dasjenige, was den menschen allzeit hinrafft. aber gleichzeitig ist sie eine chance. denn gleichsam, wie sie alles nimmt, gibt sie auch alles. das mag man anzweifeln: aber immerhin nennt man das leben. denn ohne zeit ist nichts.
wir sind begeher dieses weges, kaum können wir uns dagegen wehren. aber es ist ein schöner weg. das tageslicht ist schön, die abenddämmerung ist schön, der sternenhimmel ist schön. und der sonnenaufgang ist der ästhetischste von allen. das leben ist eine einzelne, endlose melodie, die aus dem kleinen hier des menschen beginnt und sich in alle richtungen fortsetzt: es ist das großartige. wie sich musik aus einzelnen tönen zusammensetzt, und so einen wohlklang formt, wie eine struktur aus atomen und molekülen besteht und doch etwas wunderbar nützliches wird: genauso ist der mensch eindeutig mehr als die summe der einzelnen teile.
was aber ist nun der bezug zu meiner aktuellen situation? jeder und keiner. all das sind überlegungen, wie ich sie hundertmal gedacht habe, die immer passen und doch viel zu allgemeingültig sind. aber jetzt, um halb zwei, gelingt es mir, sie nieder zu schreiben, vor dem hintergrund einer wahnsinnig starken musik.
ich muss sagen, dass ich schon viele momente in meinem leben hatte, die ich absolut einzigartig fand, die so überragend waren, dass man meint, sie wären unendlich. dies ist einer dieser momente. leider ist er endlich; aber in ihm ist ein quantum an glück aufbewahrt, das unermesslich erscheint.
das menschliche leben geht immer vorwärts, insofern ist das rückschauen vielleicht falsch. jetzt gerade lebe ich im jetzt. und dieser moment ist umwerfend: er steht in einer ganzen reihe fantastischer momente, die ich hier erlebt habe. ich denke, jeder einzelne hat verschiedene meinungen, was alles hier so einzigartig gemacht hat (oder auch nicht). das großartige entzieht sich ja bekanntermaßen der beschreibung.
so bleibt nichts anderes - auch wenn das ganz kafkamäßig erscheint - als ein verweisen auf dieses wahnsinnige glücksgefühl, und das erscheint so kurzsichtig und dumm, so belanglos und kleinlich. quintessenz heißt das fünfte seiende. der mensch geht über seine vierte dimension hinaus - alle vier sind mickrig.
das gefühl, eine fünfte zu besitzen, ist ein traum der menschheit seit jeher. und manchmal ist es verwirklichkeit in kurzen lichtblicken.


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