Heute in der Ubahn einem Mädchen gegenüber gesessen, so 17, 18 rum. Sie machte zwar in Makeup und Ausschnitt auf easy meat, hatte aber zugleich etwas Alleingelassenes an sich, das für mich durch sein achtloses Gesamtstyling verriet, daß sie noch keinen Mann, keine Frau, kein Lebensziel zum sich hübsch machen gefunden hatte. (Oder noch keine Enttäuschung, um sich entschiedener häßlich zu geben) Sie schaute halb zur Seite aus dem Fenster und plötzlich blitzte etwas in ihrem Mundwinkel auf, es war ihr Zungenpiercing. Alle sieben Haltestellen hindurch war sie nun damit befasst, das Ding entweder wie eine winzige silberne Kaugummiblase vorne, oder wie ein Stück Fischgräte zur Seite des Mundes heraushängen zu lassen. In den Zwischenphasen nuckelte sie mit geschlossenem Mund daran, was an ein hungriges Baby erinnerte. Sie war nicht besonders einnehmend, und über ihrem Kopf schien mir mit Leuchtbuchstaben das Wort 'vergeblich' zu stehen, doch in ihrer Mischung aus kindlichem Saugreflex und modischer Selbstverstümmelung ist sie für mich heute zur Miss Zungenpiercing 2001 geworden. Ich wünsche ihr für ihr weiteres Leben Liebe, Glück, und ein gutes Heilfleisch.