Weißt du nun Mensch, wer du bist? wann es dir vnd deiner schlipfferigen Gedächtnuß entfallen, so beschaue das erste Blat der H. Schrifft, allwo dir vndanckbaren Geschöpff die Erschaffung der Welt, wie auch die eygentliche Beschreibung deines ersten Stammen=Hauß wird vor Augen kommen, vnd dir fein weisen, dirs verweisen, vnd dich vnterweisen, wie das dich der gütigste GOtt, vermög seiner Allmacht, erschaffen habe zu seinem Ebenbild, du bist demnach mein Mensch ein wahrhaftes Controfee GOttes, an dene weder Kunst noch Gunst gesparet, du bist ein edles vnd schönes Bild, du hast einen Willen, vnd der ist frey, du hast ein Gedächtnuß, vnd die ist mercksamb, du hast einen Verstand, vnd der ist erleucht, du hast ein Seel, vnd die ist vnsterblich, du lebest mit den Thieren, du wachest mit den Baumen, du verstehest mit den Engeln, du trutzest mit allen Geschöpff, Sonn vnd Mond seynd weniger als du, Gold und Silber seynd weniger als du, Himmel vnd Erd seynd weniger als du; du hast etwas vom Feuer, du hast etwas vom Lufft, du hast etwas vom Wasser, du hast etwas von der Erden, du hast etwas von den Thieren, du hast etwas von den Englen, du hast etwas von GOtt, du bist ein Inhalt aller Geschöpff, du bist ein Meisterstuck der göttlichen Handen, du erkennest das Gute, vnd vnterscheidest das Böse, du verwirffest das Schlechte, vnd vmbfangest das Gerechte, du denckest an das Vergangene, vnd erwögest das Gegenwärtige, du betrachtest das künftige etc. du mit einem Wort Mensch, bist das schönste vnd edleste Ebenbild vnd Controfee GOttes, vnd schamest dich nit? du dich nit? disem ansehlichen Ebenbild eine spöttliche Narren=Kappen auffzusetzen, welches da geschicht durch den Zorn. Dann solcher den Menschen verstandtloß machet, vnd von freyen Stucken der Narren=Schaar zugesellet, schau du nur, wie der Zornige aussihet! er funcklet mit den Augen, daß er kund damit ein Stroh=Tach anzünden, er wacklet mit dem Kopff, als hätt er die Freiß im Hirn, er saimbt mit dem Maul, wie ein Mäst=Schwein, er blecket die Zähn, wie ein Ketten=Hund, er kürret mit der Stimm, wie ein verdobener Discantist, er wütt mit den Händen, wie ein toller Marx=Bruder, es stehen ihm die Haar, wie ein Storchen=Nest auff ein Thurn, er reist sein Maul auff, wie der Fisch gegen dem Tobias, er zeigt ein Gesicht, als wäre er beym Teuffel ins Bad gangen, er tobt wie ein Panther=Thier, vnd sihet mit einem Wort auß, als wie ein vnsinniger Narr, heißt das nicht dem edlesten Ebenbild ein spöttliche Narren=Kappen auffsetzen? heißt das nicht GOtt beleidigen?
Abraham a Santa Clara: Judas der Ertz=Schelm
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