Der Luftkrieg gegen die Städte
Dirk Eckert 04.03.2003
US-Außenminister Powell ließ Picassos Guernica für eine Pressekonferenz
verhängen: ein Symbol für das, was man im Irak-Krieg erwarten kann?
Die Szene hat Symbolwert: Als US-Außenminister Powell am 5. Februar seine nach
seiner Präsentation im UN-Sicherheitsrat vor die Presse ging, wurde eine hinter ihm
hängende Kopie von Picassos Bild »Guernica« verhängt. Das Anti-Kriegsbild eignete
sich optisch nicht als Hintergrund für eine Pressekonferenz, erklärte die UNO später
und dementierte jeden Zusammenhang zum Inhalt des Bildes.
Für den Krieg gegen Irak verheißt das nichts Gutes: Guernica sei schließlich "die Art von
Gräueltat», «die zu stoppen die Vereinten Nationen gegründet wurden", bemerkte der
»Toronto Star«.
"Und es ist die Art von Gräueltat, die sich nach Meinung vieler im Irak wiederholen könnte,
wenn Saddams Soldaten sich unter Zivilisten in Bagdad und anderen Städten verstecken, um
diese zu opfern und dadurch die Meinung der Weltöffentlichkeit gegen eine von den
Amerikanern geführte Militärkoalition zu wenden."
Pablo Picasso schuf »Guernica« 1937, nachdem die deutsche Legion Condor die spanische
Stadt Guernica in einem dreistündigen Luftangriff komplett zerstört hatte. Hitler hatte die
Legion Condor 1936 zur Unterstützung des Putschisten-Generals Francisco Franco in den
Spanischen Bürgerkrieg geschickt. Rund 1600 Menschen fielen dem Bombenangriff zum
Opfer, in Deutschland wurden die Täter mit der Ehren überschüttet. Die »Spanische Allee« in
Berlin-Zehlendorf, die mit ihrem Namen an die »Helden« erinnern sollte, heißt noch heute so.
Erst 1998 wurde ein »Guernica-Platz« eingerichtet und eine Gedenktafel angebracht, die
über die Geschichte des harmlos klingenden Straßennamen aufklärt.
Guernica war nur die Probe für die deutsche Luftwaffe. Im Zweiten Weltkrieg folgten weitere
Angriffe auf Städte wie Warschau, Rotterdam, Belgrad und London. Doch die Alliierten
revanchierten sich: Das britische Bomber Command flog Angriffe auf Dutzende deutscher
Städte, um den Durchhaltewillen der deutschen Bevölkerung zu brechen und der Sowjetunion
eine gewisse Entlastung zu bringen, die die Hauptlast des Krieges zu tragen hatte und auf
deren Territorium die deutsche Wehrmacht einen Vernichtungskrieg führte.
Mit dem Luftkrieg gegen Städte war nun endgültig die Trennung von Schlachtfeld und zivilem
Hinterland gefallen, wie es der deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky in seinem Text Der
bewachte Kriegsschauplatz 1931 vorausgesehen hatte. Im Ersten Weltkrieg sei der
Kriegsschauplatz noch »polizeilich abgesperrt« gewesen, bemerkte Tucholsky. "Da gab es
vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während
er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war", beschrieb er den Krieg, um
zu der bitteren Prophezeiung zu kommen: "Im nächsten letzten Krieg wird das ja anders
sein..."
Dass auch die Alliierten das Städtebombardement als Mittel des Krieges genutzt hatten,
führte nach dem Zweiten Weltkrieg paradoxerweise dazu, dass Luftangriffe wie auf
Guernica nicht als Kriegsverbrechen behandelt wurden. Telford Taylor, Chefankläger bei den
Nürnberger Prozessen, legte dar, die Luftangriffe der Alliierten seien eigenständige
Entscheidungen gewesen:
"Und sie bezeugen, daß das Flächenbombardement von Städten anerkannter Bestandteil der
modernen Kriegsführung, wie sie von allen modernen Nationen ausgeübt wird, ist."
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es diverse Bestrebungen, den Luftkrieg völkerrechtlich zu
ächten. Denn nach geltendem Kriegsrecht war etwa die Erschießung von einigen Zivilisten in
einer besetzten Stadt ein Kriegsverbrechen, während es erlaubt war, die komplette Stadt per
Bombardement in Asche zu verwandeln - mit möglicherweise Tausenden von Toten. Nach
dem Haager Abkommen von 1923, das die Haager Landkriegsordnung ergänzen sollte, war
es zwar untersagt, Städte und Dörfer zu bombardieren, die sich nicht in der Nähe von
kämpfenden Truppen befanden. Aber dieses Abkommen wurde von keinem Staat ratifiziert.
1977 kam es zu den Zusatzprotokollen I und II der Genfer Konventionen. Der Luftkrieg
wurde auch dort nicht explizit geregelt. Allerdings findet sich in Artikel 51 von Protokoll I ein
Verbot von Angriffen, bei denen die Zahl der zivilen Opfer in keinem Verhältnis zu dem zu
erwartenden militärischen Nutzen steht. Die USA lehnten diese Protokolle jedoch ab. Die
Vorstellung, dass in Zukunft der Angreifer dafür Sorge tragen muss, dass die Zivilbevölkerung
nicht gefährdet wird, gefiel dem Pentagon gar nicht.
So haben Militärs noch heute prinzipiell kein Problem damit, Städte anzugreifen und damit
den Tod von Zivilisten in Kauf zu nehmen. Allerdings hat der technische Fortschritt die Form
der Kriegsführung verändert. »Präzisionsbomben« haben zumindest in den NATO-Ländern
Flächenbombardements abgelöst. Doch auch im Golfkrieg 1991, den das Pentagon als
»chirurgischen« Krieg verkaufte, waren sogenannte Kollateralschäden an der Tagesordnung,
so dass die »Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges« (IPPNW) mittlerweile von
der Lüge vom chirurgischen Krieg sprechen.
Die Erfahrungen im Jugoslawien-Krieg 1999 waren ähnlich, und es gibt keinen Grund,
anzunehmen, dass den Vereinigten Staaten im nächsten Irak-Krieg keine »Kollateralschäden«
wie die Bombardierung eines Luftschutzbunkers in Bagdad, bei der 1991 über 1000 Zivilisten
ums Leben kamen, unterlaufen.
Kommentare:
peinlich (krug_j, 4.3.2003 3:13)
Stimmt (krug_j, 4.3.2003 3:08)
3000 Hitech-Kampfbomber (mscz, 4.3.2003 2:16)
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