Startseite Top-Themen News, Politik, Wirtschaft Informationsguerilla »Yes-Men« - die Macher hinter dem NY -Times-Fake 13.11. 2008 Informationsguerilla 14 14 Kommentare zu diesem Top-Thema 13.11.2008, 20:09 Uhr »Yes-Men« - die Macher hinter dem NY -Times-FakeJan Müller
So wünschen sich die »Yes-Men« die Schlagzeilen am 4.Juli 2009.
Die globalisierungskritischen »Yes-Men« überraschen die Welt mit ihrer Wunschversion der »New York Times« und den Schlagzeilen der Zukunft. Doch spektakuläre Mediencoups sind für die Macher der wohl dicksten Zeitungsente unserer Tage alles andere als neu.
4. Juli 2009 - »All the News we hope to print«. Mit ihrer gefälschten Ausgabe der altehrwürdigen New York Times, ist den »Yes-Men« ihr wohl bislang größter Coup gelungen. In dicken Lettern verkündet die exakt imitierte Fake-Version von Amerikas berühmtester Zeitung das »Ende des Irakkrieges«, die Schließung des US-Gefangenenlagers Guantánamo Bay und die Anklage gegen den früheren US-Präsidenten George W. Bush wegen Hochverrats.
Sechs Monate hatten die Aktivisten- und Aktionskünstlergruppe »The Yes Men« mit mehr als 30 Autoren an der 14-seitigen Version gearbeitet und die Aktion penibel geplant. In sechs Druckerpressen wurden insgesamt 1,2 Millionen Exemplare der Fake-Edition vorproduziert. Am Mittwoch standen dann landesweit – meist in den Großstädten – freiwillige Helfer bereit, um die fiktive »Times« zu verteilen.
Bild: Screenshot: www.nytimes-se.com Bilderstrecke:
»Ronald Che Donald« und ein dickes »Sorry«. Ein Blick in die falsche New York Times
Dabei sorgen die »Yes-Men« bereits seit Jahren mit spektakulären Hoaxes für Aufsehen. Zum ersten Mal in die Schlagzeilen geriet die Informationsguerilla Ende der 90er Jahre mit ihrer gefälschten Version der Internetseite der Welthandelsorganisation WTO. Die Seite wirkte – trotz der völlig übertrieben dargestellten angeblichen Forderungen der WTO (aktuell ist dort beispielsweise zu lesen, dass die Welthandelsorganisation in Afrika den Sklavenhandel verbessern will) - offenbar derart authentisch, dass die »Yes-Men« offizielle Einladungen zu Konferenzen erhielten.
Eine Einladung an die »State University of New York« in Plattsburgh nutzten die »Yes-Men« als angebliche WTO-Vertreter schließlich dazu, den Studenten einen eher unappetitlichen Vorschlag zur Bekämpfung des Hungers in der Dritten Welt vorzustellen: Ein System zum Recycling bereits gegessener Nahrung. Konkret sollten die Fäkalien der westlichen Industrienationen zu McDonald's-Burgern der zweiten Generation für die Hungerregionen dieser Welt recycelt werden. Der lautstarke Protest der Studenten ließ nicht lange auf sich watren.
Quelle: Youtube.com Angeblicher WTO-Vorschlag: Recycling bereits gegessener Nahrung
Live bei BBC: Die Chemie-Lüge Hohe Wellen schlug auch ein Interview mit dem britischen Sender BBC im Jahr 2004: Dabei gab sich einer der »Yes-Man« als Sprecher des Chemie-Riesen »Dow Chemical« aus – nach BASF der zweitgrößte Chemie-Konzern der Welt. Genau zwanzig Jahre zuvor hatte sich nämlich eine der größten Katastrophen der Industriegeschichte ereignet: Im indischen Bhopal entwich aus einem Chemiewerk eine tödliche Giftgaswolke. 8.000 Menschen starben bei der Katastrophe, mindestens 20.000 an den Spätfolgen. Noch immer leiden Hunderttausende an chronischen und unheilbaren Krankheiten.
Chief Justice »Der Film «Yes Men» ist sehr sympathisch, selbst wenn er zunächst etwas unspektakulär daherkommt. Die beiden Hauptpersonen Jacques Servin und Igor Vamos sind in ihrem Auftreten eher unprätentiös - eben keine Michael Moores. Doch wenn die beiden auf die Bühne treten und ihre Show vor Studenten oder Offiziellen abziehen, sind sie wahnsinnig abgeklärt.«
Die BBC fiel auf den als Dow-Sprecher getarnten »Yes-Man« herein und ließ ihn minutenlang zu Wort kommen. In dem Gespräch kündigte dieser dann überraschend an, dass Dow die Verantwortung für das Unglück in Bhopal übernehmen werde - und eine Summe zwölf Milliarden US-Dollar als Entschädigung an die Opfer zahlen wolle. Diese Meldung wurde auch von deutschsprachigen Nachrichten übernommen. Nach Ausstrahlung des BBC-Berichts brach der Aktienkurs von Dow Chemical um mehrere Prozent ein.
Quelle: Youtube.com »Yes-Man« als angeblicher Dow-Sprecher im BBC-Gespräch
Warum sich die »NYT« bislang zurück hältDie »New York Times« hat auf ihrer Webseite übrigens noch nicht auf die »Sonderausgabe« der »Yes-Men« reagiert. Einzig im »Citi-Room-Blog« der Zeitung ist davon die Rede, dass einige »pranksters« – zu Deutsch etwa Witzbolde oder Schlingel – die falsche Ausgabe in Umlauf gebracht hätten. Wenig verwunderlich, denn die Verfasser der Fake-Edition gehen mit den Herausgebern der »NYT« nicht gerade zimperlich um - und konfrontieren die Zeitung mit teils heftigen Vorwürfen bezüglich ihrer Berichterstattung in den vergangenen Jahren.
Im Leitartikel auf der elften Seite der falschen »Times« gesteht die Zeitung beispielsweise unter der Überschrift »Wir entschuldigen uns« freimütig ein, dass »die kostspielige und tödliche Besetzung des Irak fünf Jahre lang unterstützt worden sei« – obwohl die öffentliche Meinung schon längst auf einen Anti-Kriegs-Kurs geschwenkt sei.
atreju Das ist doch wirklich mal eine gute Aktion. Applaus. Und die Reaktion ist eindeutig: die Menschen haben sich um die Fake-Zeitung gerissen. Das zeigt, wie sehr die Amerikaner sich diese Schlagzeile wünschen. Auf der zweiten Seite der »Yes-Men-Times« wird unter der Rubrik »Corrections« der Leser dafür um Verzeihung gebeten, dass die »Times« in der Vergangenheit allzu oft im Interesse großer Konzerne berichtet hätte. Außerdem wird angekündigt, dass die Zeitung sich nicht auf ihrer ausgezeichneten Berichterstattung über den 11. September 2001 ausruhen wolle (von September bis Dezember veröffentlichte die echte »NYT« regelmäßig Porträts der Opfer von »Ground Zero«), sondern künftig auch täglich eine Doppelseite über jeweils zwei tote Soldaten und 100 tote Zivilisten der Kriege in Irak und Afghanistan gedruckt werde. Diese Serie solle die nächsten 30 Jahre laufen.
Wem übrigens zufällig ein Exemplar der Fake-Ausgabe über den Atlantik in die Hände flattert, sollte das Exemplar am bestens gut aufbewahren: Zeitungsexperten mutmaßen bereits, dass die am 12. November 2008 erschienene New-York-Times-Ausgabe vom 4. Juli 2009 wohl ein wertvolles Sammlerstück werden wird.
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