Rezension bezieht sich auf: Jenseits des Protokolls (Kindle Edition)
Jetzt musste also auch Bettina Wulf ein Buch schreiben. Ich hab's innerhalb von einer Stunde überflogen und rate davon ab, sich auch nur eine Minute länger mit diesem Werk zu beschäftigen:
Erstens, weil es größtenteils einfach langweilig ist und sich liest wie der Aufsatz einer Fünftklässlerin, die den Verlauf des letzten Wochenendes schildern soll. So erfahren wir, dass in der Küche der Berliner Villa erst mal eine Dunstabzugshaube installiert werden musste, sowie massenhaft anderen nebensächlichen Kleinkram. Muss es sein, dass sich nun auch noch die Gattin unseres unrühmlichen Ex-Bundespräsidenten so unbedarft und naiv präsentiert? Wenigstens sie hätte doch einfach den Mund halten und einen Funken Restwürde behalten können.
Zweitens, weil das Buch einen abstossendes Maß an Egomanie und Zickigkeit versprüht. Hat Frau Wulffs Ghostwriterin es darauf angelegt, sie möglichst unsympathisch erscheinen zu lassen? Gleich zu Anfang des Buches stellt Bettina Wulff in Frage, wie man sich in einen Typen wie ihren Ehemann überhaupt verlieben könne. Christian Wulff hat es sicher verdient, aus dem Amt gejagt worden zu sein, aber auch, von seiner Frau, die ohne ihn immer noch als alleinerziehende Drogerie-Pressereferentin ihr Dasein fristen würde, so durch den Kakao gezogen zu werden? Für ihren Ex-Arbeitgeber Continental, ohne den Sie den Männerfang ihres Lebens nie gemacht hätte, hat sie ebenfalls nur einen Seitenhieb parat. War man dort froh, sie loszuwerden, und das ist ihre Retourkutsche?
Drittens, weil das Buch von der ersten bis zur letzten Seite vor Selbstmitleid trieft, und dieses muss man sich anhören von einer Frau, die es im Leben mit Sicherheit besser erwischt hat als die breite Mehrheit der Bevölkerung. Schließlich wissen wir dank der Berichterstattung nur zu gut, wie viel von unseren Steuern jetzt beim Ehepaar Wulff landen. Anstatt das mal zu würdigen, jammert Bettina Wulff aber lieber darüber, wie gemein sie von Journalisten und Passanten belästigt wird und wie hart der Alltag als Präsidentengattin war. Mir kommen die Tränen!
Offen bleibt die Frage, was sie mit diesem nervigen Erlebnisaufsatz erreichen wollte. Wahrscheinlich möchte sie in Kürze ihren Ehemann auf den Müll werfen, wer ist schon gern mit einem öffentlich verachteten Versager liiert, und dafür noch ein letztes Mal bares Kapital aus dem zurückliegenden Lebensabschnitt schlagen. Sicher wird sie mit dem Buch nicht schlecht verdienen, aber dafür hat sie sich damit jetzt auch den Hass der ganzen Republik zugezogen. Und wer weiß, vielleicht findet ja doch noch irgendwann jemand einen handfesten Beweis für das peinliche Vorleben, das sie so heftig abstreitet. Diese Berichterstattung würde mich zumindest noch interessieren.
Dass die Causa Wulff bald verfilmt wird, ist übrigens verständlich, denn selten wurden so viele gängige Klischees auf einmal bedient:
Klischee 1: Hübsche Blondine aus der Provinz wittert ihre Chance und spannt einen viel älteren, langweiligen, aber mächtigen Mann aus. Frau und Kind lässt er für sie im Regen stehen.
Klischee 2: Die hübsche Blondine ist ein Partygirl oder mehr - egoistisch, narzistisch, zickig und eingebildet. Eigentlich keine Frau zum heiraten, aber der alternde Mann ist scharf auf sie.
Klischee 3: Die Blondine wird als First Lady vom Aschenputtel zur Prinzessin auf der Erbse - auch am neuen Leben passt ihr nichts.
Klischee 4: Der alternde Mann erleidet bald darauf beruflichen Totalcrash und ist jetzt nicht mehr mächtig, sondern verachtet.
Klischee 5: Die Blondine lässt in daraufhin sofort fallen, macht ihn öffentlich schlecht und verlässt ihn mit einem Haufen Geld. Denn sie wollte nicht ihn, sondern den sozialen Aufstieg.
Die Moral von der Geschicht': Charakter ist wichtiger als Aussehen.
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