Ich muß immer wieder an diese Geschichte und die Bilder vom geteilten Fußgänger denken. Das war damals, in meiner Zeit als Referendar bei der Staatsanwaltschaft. Da gab es mal einen sehr interessanten, von zwei Verkehrsunfall-Gutachtern gestalteten Tag, dessen gruseliger Höhepunkt eben der geteilte Fußgänger war.
Wird ein Fußgänger von einem PKW frontal angefahren, also voll in der Mitte genommen wird - dann gibt es je nach PKW spezifische, recht geringe Geschwindigkeiten, bei denen der Fußgänger im klassischen Sinne überfahren wird, also unter den Wagen gedrückt wird. Bei höheren Geschwindigkeiten werden ihm von der Wagenfront die Beine weggeboxt, er fällt auf die Motorhaube, und kullert da seitlich wieder runter, wenn er Glück hat. Das ist für den Fußgänger der günstigste Fall - der einzige mit einer realistischen Überlebensschance. Ansonsten fällt er vorne wieder runter, und wird klassisch überfahren. Wird die Geschwindigkeit noch höher, fliegt er über das Auto drüber hinweg.
Aber es gibt eine ganz spezifische Geschwindigkeit dazwischen, bei den meisten Autos so zwischen 90 und 110 kmh, bei denen passiert dann folgendes:
Der Fußgänger, dem die Beine weggeschlagen wurden, fällt nicht auf die Motorhaube, sondern prallt mit Kopf und Oberkörper vertikal in die Windschutzscheibe hinein, die er in aller Regel durchschlägt. Die leichteren Beine, manchmal auch der Unterleib in der Mitte - werden nach oben geschleudert, und von dem Rest der Frontscheibe an der Dachkante buchstäblich abgeschnitten, und fliegen über das Auto hinweg. Der Fußgänger, sofern er nicht bereits durch den Aufprall auf die Scheibe bewußtlos geworden ist, stirbt eines grässlichen Todes.
In aller Regel verliert der Fahrer die Kontrolle über den PKW - manchmal sogar durch die letzten heftigen Bewegungen des sterbenden Fußgängers.
Aber der Fahrer hat relativ gute Chancen, den Unfall zu überleben - und sich an den Fußgänger und seine letzten Sekunden zu erinnern.
In aller Regel - für den Rest des Lebens. Die betreffenden Fahrer gelten als hochgradig suizidgefährdet - erst recht dann, wenn sie den Unfall in irgendeiner Weise (mit-)verschuldet haben.
Glücklicherweise kommen in der Praxis geteilte Fußgänger nicht all zu oft vor. Das liegt schon daran, daß die meisten Unfälle mit Fußgängern bei niedrigerer Geschwindigkeit passieren - unter relativ normalen Stadtverkehrsbedingungen, bei denen die zum Teilen erforderlichen Geschwindigkeiten nur selten erreicht werden.
Statistiken darüber gibt es wohl keine - die Sachverständigen berichteten lediglich von einer Handvoll Fällen in über zwanzigjähriger Gutachtertätigkeit.
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