Irgendein Bauer hat sich auf seinem Acker ein Windrad hingestellt. Ich hatte mich schon gewundert, warum wochenlang in der Gegend Sattelschlepper mit Röhrensegmenten von einem Ausmaß herumfuhren, die des Abflusskanals einer Talsperre würdig gewesen wären. Tage später stand also plötzlich eine Windenergieanlage auf dem Hügel, die das Rätsel der weißen Röhren nun auflöste. Ein sehr schönes Bauwerk mit einer blinkenden roten Warnleuchte auf dem Generator, sicherlich zum Schutz der irritierten Raubvögel und Schwalben. Besonders bei hereinbrechender Nacht verströmen die langsam rotierenden Flügel, die sich schwarz gegen den blassgrauen Mondlichtdunst abheben, eine majestätische Ruhe. Fährt man den bewaldeten Hügel hinauf, sieht man manchmal das rote Warnsignal durch die Tannenwipfel aufblitzen, hinter der nächsten Kurve der Waldstraße verschwindet es, um sich dann zur Linken wieder zu zeigen. Rotwild lugt vorsichtig durch die Zweige und ... Moment mal, es geht hier um Energieversorgung, ein ästhetischer Maßstab ist völlig unangemessen, es muss von durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten, Instandhaltungskosten, Umweltbelastung, Entsorgung von Produktionsmaterial, Leistung und Kilowatt die Rede sein, nicht anders als bei einem Atomkraftwerk, das sich, wie z.B. der herrliche Hochtemperaturreaktor von Hamm-Uentrop, wenn man die A2 hinabfährt, imposant schon aus großer Ferne am Horizont abzeichnet und dessen feine Neon-Sicherheitsbeleuchtung wie Orion am spätherbstlichen Nachthimmel funkelt. Dann begreift man leicht, dass ein solch erhabenes Bauwerk dem findigen Tourismus nicht entgehen konnte, der sein Chance mit einem idyllischen Campingplatz am Fuße der Autobahnausfahrt beim Schopfe griff. Der grillende Camper mag so Tische und Stühle aufstellen mit freiem Blick auf die Abwasserkanäle, die in den Sockeln der Kühltürme verschwinden, die Luft knistert zwischen ihm und den Hochspannungsleitungen, die sich im Abendlicht als glitzernde Fäden ins Land hinausschwingen, während die Kohlenmonoxidwolken, die sich förmlich die Böschung von der Autobahn in seinen Wohnwagen träge hinabrollen, milde den Rücken wärmen. Der Schaden für die lokalen Gastwirtschaftsbetriebe wäre erheblich, wollte man dem Reaktor die romantische Illuminierung rauben oder gar den Tourismus durch seinen Abriss gänzlich vertreiben. Diesen Aspekt darf man keinesfalls außer Acht lassen, wenn man ernstlich darüber nachdenken möchte, die immerhin 3 Prozent der Energieversorgung durch Windkraft zu verdreiunddreißigkommadreifachen. Der Acker des Bauern hat mindestens einen Hektar Fläche. Geschickt in verschiedener Höhe und geeigneten Winkeln mit dichtester Packung aufgestellt, könnte er weitere zweiunddreißig Windenergieanlagen montieren lassen. Baut man dann noch eine schöne Autobahn durchs Tal, würden vielleicht auch die Uentroper Camper über einen Wechsel ihres Urlaubsdomizils nachdenken und der Fahrtwind des Fernverkehrs könnte die Windräder antreiben. Nun gut, man würde wohl auf das Rotwild verzichten müssen, das sich vermutlich mürrisch nach Kirchheim-Teck oder Oer-Erckenschwick zurückziehen wird.
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