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Raul schrieb am 29.5. 2006 um 03:29:01 Uhr über

Weltproblem

Böses Erwachen im Morgenrot

Damals ereignete sich in der Nähe des heutigen Heilbronn ein Gewaltakt, der belegt, dass auch in Europa die ersten Tage der Zivilisation mit Blut getränkt waren. Das Massengrab von Talheim gilt als Paradebeispiel für Gewalttätigkeiten auf Grund der Sesshaftigkeit. Hier entdeckte ein Hobbygärtner im Jahr 1983 die Überreste einer erschlagenen Steinzeitsippe. Die Toten lagen über- und untereinander auf dem engen Raum von 1,5 mal 2,5 Metern - das entspricht einem modernen Dreifachgrab. In dieser Grube aber befanden sich 34 Leichen. Sie waren nicht sorgsam bestattet, sondern achtlos verscharrt worden. Ihr Alter: 7700 Jahre.

Was war da in grauer Vorzeit an den Hängen des Schozachtals geschehen? Jene unglücklichen Menschen aus der Jungsteinzeit lebten vermutlich in mehreren Wohn-Stall Häusern gemeinsam mit ihrem Vieh unter einem Strohdach. In den Häusern schliefen neun erwachsene Männer, neun Frauen sowie 16 Kinder und Jugendliche. An die statistischen Maße unserer heutigen Gesellschaft angelegt, lebten hier drei Großfamilien.

Innerhalb weniger Stunden war die Idylle am Morgen der Zivilisation zerstört. Eine feindliche Gruppe stürmte das Dorf und erschlug die Familien. Dann hoben die Unbekannten eilig eine Grube aus und verscharrten die Leichen. Was sie an Geschirr in den Häusern fanden, zerschlugen sie und bedeckten damit die Toten - vermutlich, damit diese nicht von Tieren ausgegraben werden konnten. Damit ist die Bestandsaufnahme beendet. Gewiss ist nur, dass die Talheimer durch Gewalteinwirkung starben. 59 Prozent der Skelette zeigen schwere Schädelverletzungen. Fast alle waren tödlich.

Ohne Brüche blieben hingegen Arme und Schultern der Skelette. Dort hinterlassen Kämpfe Mann gegen Mann jedoch am häufigsten Wunden durch Abwehrbewegungen. Die Unversehrtheit dieser Partien an allen 34 Skeletten deutet darauf hin, dass die Opfer die Arme nicht gehoben haben, um sich zu schützen. Vermutlich wurden sie entweder von den Angreifern im Schlaf überrascht oder auf der Flucht von hinten erschlagen.

Bislang galt Talheim in der Archäologie als Beleg für Handgreiflichkeiten in der Steinzeit. Keine abgetrennten Schädel wie in der Großen Ofnethöhle, kein ritueller Kannibalismus - hier wurde einfach zugeschlagen. Eigentum macht angreifbar. Im Archiv des Landesamts für Bodendenkmalpflege Baden-Württemberg jedoch entdeckte kürzlich ein Sachbearbeiter mikroskopisch feine Schnittspuren auf Talheimer Schädeln. Solche Marken aber sind Hinweise auf Entfleischung und damit auf eine rituelle Handlung.

Die Gewaltorgien der Steinzeit scheinen Fantasieprodukte der Gegenwart zu sein. Vielmehr entpuppt sich der neolithische Kulturschock mehr und mehr als Friedensstifter: Nur wenige Kilometer von Talheim entfernt gelang es Bauern und Jägern, in einer Gemeinschaft zusammenzuleben. Das fand 2003 der Anthropologe Douglas Price von der University of Wisconsin heraus. Er untersuchte die Knochen eines jungsteinzeitlichen Friedhofs am Viesenhäuser Hof und analysierte die Strontium-Isotope in den Zähnen der Bestatteten.

Die chemischen Elemente verrieten, wo sich die Menschen seit ihrer Kindheit aufgehalten und welche Nahrung sie bevorzugt hatten. Ergebnis: Am Viesenhäuser Hof lebten zum einen Menschen, die ihr gesamtes Leben dort verbracht und die örtlichen Nahrungsquellen genutzt hatten. Ein anderer Teil aber war zugewandert. Price erkannte, dass sich eine Gruppe von Jägern und Sammlern den hier sesshaften Bauern angeschlossen hatte. Die neuen Nachbarn müssen sich perfekt assimiliert haben. In der Steinzeitkommune herrschte Harmonie.




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