Hawking: Weltformel vielleicht in 20 Jahren Von Frank Fleschner Meist agieren theoretische Physiker im Verborgenen. Kaum jemand interessiert sich für ihre Arbeit. Ganz anders in Potsdam, wo sich in dieser Woche rund 400 Wissenschaftler zur Konferenz «Strings '99» treffen. Sie diskutieren über die Suche nach einer «Weltformel», die alle Phänomene im Universum erklären soll. Bei einer Pressekonferenz gestern versperrten zahlreiche Kameras und Mikrofone den Blick auf die Forscher. «Mit soviel Resonanz haben wir überhaupt nicht gerechnet», gestand Prof. Hermann Nicolai, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Golm und einer der Organisatoren der Tagung. «Zumal wir es hier mit einer äußerst schwierigen Materie zu tun haben.» Das Interesse galt denn auch weniger den gegenwärtig diskutierten Theorien als dem bekanntesten Physiker unserer Tage: Stephen Hawking von der Universität Cambridge war nach Potsdam gekommen. Direkte Fragen konnten ihm allerdings nicht gestellt werden. Hawking, durch eine Erkrankung des Nervensystems fast vollständig gelähmt, kann sich nur mittels eines speziellen Computers verständlich machen. Buchstabe für Buchstabe muß er Wörter zu Sätzen zusammenfügen - ein Vorgang, der jeweils mehrere Minuten in Anspruch nimmt. Eine wichtige Frage an Hawking lautete, wann seiner Ansicht nach die Physik eine fertige Weltformel anbieten könne: «1980 habe ich gesagt, daß unsere Chancen 50 zu 50 stünden, bis zum Ende des Jahrhunderts eine solche allumfassende Theorie zu finden», antwortete Hawking. «Obwohl wir in den vergangenen 20 Jahren große Fortschritte gemacht haben, sind wir jedoch unserem Ziel offenbar bisher nicht näher gekommen.» Dennoch blieb er bei seiner Schätzung - mit einer Einschränkung: «Die 20 Jahre beginnen erst jetzt.» Als vielversprechendster Weltformel-Kandidat gilt seit 15 Jahren die Superstringtheorie. Ihre wichtigsten Elemente sind die sogenannten Strings - unvorstellbar winzige Fäden oder Saiten, aus denen das Universum aufgebaut sein soll. Wenn Strings schwingen, so die Annahme, entstehen die bekannten Elementarteilchen wie Elektronen und Quarks. So wollen die Forscher die zwei großen physikalischen Gedankenmodelle dieses Jahrhunderts zusammenfassen: Albert Einsteins Relativitätstheorie und die Quantenmechanik. An dieser Aufgabe beißt sich die Wissenschaft seit Jahrzehnten die Zähne aus. Welchen Einfluß auf unser tägliches Leben hätte eine solche fertige Weltformel? «Eine vereinheitlichte Theorie mag der Menschheit keinen materiellen Gewinn bringen», sagte Hawking. «Aber sie wird die jahrhundertealte Frage nach der Entstehung des Weltalls beantworten.»