Plattform Planet Erde
Ein Weltbürger-Manifest
24. Oktober 1997 - Tag der Vereinten Nationen (revidiert am 24. Oktober 1999 und 24. Oktober 2002)
Dieses Dokument ist das Ergebnis einer Diskussion zwischen Menschen, denen das Schicksal unseres Planeten und der Menschheit nicht einerlei ist und die sich aus dieser Verantwortung heraus als Weltbürgerinnen und Weltbürger verstehen. Es wird als inhaltliche Arbeitsgrundlage für eine neue Weltbürger-Bewegung angeboten und richtet sich an alle Menschen, die nicht nur die gegenwärtige Situation beklagen und die Missstände kritisieren, sondern aktiv etwas für eine bessere Zukunft tun wollen. Da die Diskussion weiter fortschreitet, ist auch dieser Text nicht endgültig, sondern soll regelmäßig überprüft und auf den neusten Stand gebracht werden.
Es gibt nur eine Erde
Ob unser Planet in seiner Art im Universum einmalig ist, wissen wir nicht. Gemessen an der Zahl der bis heute von der Astronomie entdeckten und vermuteten Sonnensysteme ist es eher unwahrscheinlich, dass die Erde der einzige belebte bzw. lebende Planet im Universum sein könnte. Fest steht jedoch, dass die Erde für uns Menschen und alle unsere Mitgeschöpfe den einzigen möglichen Lebensraum bietet. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Erde selbst in ihrer Gesamtheit ein riesengroßer Organismus besonderer Art ist (Gaia-Hypothese) und Menschen wie Tiere, Pflanzen wie Steine, Teile dieses Lebewesens, des Öko-Systems Erde sind. Als Weltbürgerinnen und Weltbürger sollten wir bemüht sein, unseren Planeten in seiner Ganzheit zu betrachten und zu begreifen. Hier gilt besonders: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Diese Tatsache muss in der Wissenschaft, in Forschung und Lehre, mehr als bisher Beachtung finden.
Die Erkenntnis, dass das Leben für Menschen, Tiere und Pflanzen nur dauerhaft gesichert werden kann, wenn die natürlichen Kreisläufe nicht zerstört werden, müsste für alle Menschen zur Ziel- und Richtschnur im täglichen Leben werden. Die Erde sollte uns eigentlich heilig sein. Jedoch das Gegenteil scheint der Fall zu sein, denn wir Menschen - ausgenommen wenige Völker, die noch im Einklang mit der Natur leben – beuten den Planeten ohne Rücksicht auf die Zukunft erbarmungslos aus und verändern das ökologische Gleichgewicht in einem solchen Maße, dass das Überleben der Menschheit ernsthaft in Frage gestellt werden muss. Die negativen Auswirkungen der Industrialisierung und des ungebremsten Wachstums nehmen ständig dramatischere Formen an. Der Mensch ist dabei, den Ast abzusägen, auf dem er sitzt.
Es ist für uns überlebensnotwendig, eine neue Beziehung zu unserem Planeten zu entwickeln. Wir dürfen uns nicht länger einbilden, der Mensch sei der Mittelpunkt allen Lebens auf der Erde, er sei die »Krone der Schöpfung« und hätte die Fähigkeit und Macht, sich die Erde untertan zu machen. Eine Fortsetzung dieses Irrglaubens führt mit Sicherheit zum Verlust der Zivilisation und zum Niedergang der Menschheit.
Dagegen könnte ein neues verantwortliches Verständnis unserer Rolle als Menschen sehr wohl einmal dazu führen, dass wir im Laufe der weiteren Entwicklung wirklich zur »Krone der Schöpfung« werden.
Es gibt nur eine Menschheit
Der Mensch als Art - biologisch gesehen nichts anderes als ein in besonderem Maße entwickeltes Säugetier - hat Eigenschaften, die bei allen Menschen gleichermaßen vorhanden sind. Diese Eigenschaften haben einen so überaus großen verbindenden Wert, dass dem gegenüber durch Abstammung entstandene äußerliche Merkmale des Körperbaus oder der Hautfarbe nicht ins Gewicht fallen. Auch sozial oder kulturell bedingte Unterschiede in der Lebensart verblassen gegenüber den Gemeinsamkeiten. Keines der äußerlichen Merkmale der verschiedenen Völker rechtfertigt die Annahme, diese Menschen seien besser und jene nicht so gut oder sogar schlecht.
Ideologien, religiöse Glaubensrichtungen usw., die darauf abzielen, ihren Volksangehörigen, Anhängern oder Gläubigen einzureden, sie seien besser, weiter entwickelt, von einem höheren Wesen besonders begünstigt oder dergleichen mehr, dienen nicht der Einheit der Menschheit und sind deshalb abzulehnen. Ihr Einfluss führt, wie die Geschichte zeigt, unweigerlich zu Ungerechtigkeit, Unfrieden und Krieg, ja letztlich zur Plünderung unseres Planeten und zum Verlust der Lebenstauglichkeit des Öko-Systems Erde. Jede Weltbürgerin, jeder Weltbürger ist dazu aufgerufen, solchen alten und neuen Strömungen entschieden entgegenzutreten.
Es ist unsere Aufgabe, einen Humanismus zu entwickeln, der die grundsätzliche Gleichwertigkeit aller Menschen in den Vordergrund stellt und gleichzeitig die unterschiedlichen völkischen, kulturellen und religiösen Merkmale als eine Bereicherung des Gesamtbildes Menschheit zu schätzen weiß. Die Menschheit ist tatsächlich multikulturell. Das Abschotten eines Kulturkreises zu dessen Erhaltung oder vermeintlichem Schutz ist in der heutigen Welt nicht möglich und führt unter Umständen sogar zum schnelleren Untergang. Wenn durch Berührung verschiedener Kulturen neue Kulturen entstehen oder sich verändern, so ist das ein ganz normaler Vorgang in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit, der nicht unterdrückt werden kann und darf. Die Achtung und der Schutz von Minderheiten und eingeborenen Völkern stehen dazu nicht im Widerspruch, sondern sind eine Bestätigung der Einheit der Menschheit in ihrer lebendigen Vielfalt.
Es gibt nur eine Gerechtigkeit
So wie die Menschen der Erde sich biologisch gesehen kaum unterscheiden, besitzen sie auch annähernd gleiche Grundbedürfnisse, die lediglich im sozialen Bereich infolge kultureller Verschiedenheiten voneinander abweichen. Der Wunsch nach einem gesunden und erfüllten Leben, mit ausreichend Nahrung, angenehmer Unterkunft, zweckmäßiger Kleidung, einer Beschäftigung, die auch Freude macht sowie guten zwischenmenschlichen Beziehungen steckt in jedem. Daraus folgt, dass alle Menschen eigentlich gleichwertige Interessen haben, was die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse angeht.
Diese Interessen können allerdings von den meisten Menschen nicht verwirklicht werden, denn unsere heutige Weltgesellschaft ist nicht human und die Natur bleibt unerbittlich. Um hier das Prinzip Gerechtigkeit einführen zu können, sind zwei Erkenntnisse erforderlich: Jeder Mensch ist einmalig und jeder könnte der andere sein. Vorstellungen, wonach von einem höheren Wesen oder einer geistigen Gesetzmäßigkeit vorgegeben wird, wer als Mensch wo und wann, wie lange, wie gut oder auch schlecht leben soll, kommen zwar in vielen religiösen Glaubensrichtungen vor, dürfen aber nicht zu sozialen Ungerechtigkeiten führen oder bestehendes Unrecht stützen. Es kann nur dann von Gerechtigkeit gesprochen werden, wenn alle Menschen die gleichen Rechte und Pflichten haben.
Gerechtigkeit heißt hier, allen Menschen auf der Erde die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse zu ermöglichen. Die Menschheit braucht eine neue soziale Weltwirtschaftsordnung. Allgegenwärtige Konkurrenz und das Spiel der wirtschaftlichen Mächte, die heute im Rahmen der Globalisierung gefährliche Formen anzunehmen beginnen, müssen durch das System einer kooperativen Marktwirtschaft, in dem es in Zukunft keine Verlierer mehr geben darf, abgelöst werden. Dazu gehört auch ein globaler Lastenausgleich, mit dessen Hilfe Benachteiligungen, etwa durch ungünstige klimatische Bedingungen, Mangel an Rohstoffen oder Folgen von Naturkatastrophen, vermieden werden können und die Menschen überall auf der Erde annähernd gleiche Chancen zur Verwirklichung ihrer wichtigsten Lebensinteressen haben. Das bedeutet auch freien Zugang zu vielfältigen Bildungs- und Ausbildungsangeboten für alle Menschen. Nur so kann Chancengleichheit nachhaltig gewährleistet werden.
Um diese Gerechtigkeit zu erreichen, bedarf es einer Globalisierung der Gleichheitsrechte. Es geht darum, das Recht des Stärkeren durch die Stärkung des Rechts zu überwinden und das Recht somit zu einem allgemeinen Instrument der Gerechtigkeit für alle Menschen zu machen. Ohne die Regulierung der menschlichen Interessen - besonders dann, wenn sie über die Grundbedürfnisse hinausgehen - ist eine gerechte Welt nicht möglich.
Es ist deshalb ein besonderes Anliegen aller Weltbürgerinnen und Weltbürger, dass das bisher Erreichte auf dem Gebiet des internationalen Völkerrechts eingehalten, weiterentwickelt und durchsetzbar gemacht werden kann. Besonders die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« muss strikt beachtet und zu einem tatsächlichen Maßstab der Zivilisation aufgewertet werden. Hier wären zusätzlich genauere Formulierungen von Menschenpflichten angebracht. Ebenso ist es an der Zeit, unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, endlich die ihrer Würde entsprechenden Rechte einzuräumen. »Wo immer ein Tier in den Dienst des Menschen gezwungen wird, gehen die Leiden, die es erduldet, uns alle an.« (Albert Schweitzer) Verbrechen gegen das Öko-System Erde und die Rechte zukünftiger Generationen müssen mehr und mehr in einem internationale Rechtssystem geächtet und die Verantwortlichen für solche Verbrechen haftbar gemacht werden. Das äußere Recht muss in der Förderung des Gerechtigkeitsempfindens in der Erziehung eine wichtige Ergänzung finden.
Zur Durchsetzung aller völkerrechtlichen Konventionen wurde neben dem Internationalen Gerichtshof, der sich ja nur mit der Verantwortlichkeit von Staaten befasst, ein ständiger Internationaler Strafgerichtshof (ICC) eingerichtet. Dieser untersucht die Verantwortlichkeit von Personen, die beschuldigt werden, gegen das Völkerrecht verstoßen oder Verbrechen gegen die Menschenrechte begangen zu haben. Es sollte keinem Diktator, keinem Kriegstreiber und Völkermörder mehr möglich sein, sich hinter der Souveränität seines Landes zu verschanzen. Es muss ein besonderes Anliegen aller Weltbürgerinnen und Weltbürger sein, die Kompetenz des Internationalen Strafgerichtshofes zu stärken und sich dafür einzusetzen, dass alle Staaten dieses Gericht anerkennen und die erforderlichen Dokumente unterzeichnen. Ausnahmen und Sonderreglungen für bestimmte Nationen sind auf keinen Fall akzeptabel.
Es gibt nur einen Frieden
Friede ist nicht nur Abwesenheit von Krieg, sondern ein ständiger dynamischer Prozess. Er ist ohne Gerechtigkeit undenkbar und kann sie zugleich bringen. Er braucht Mündigkeit und Verantwortung der Menschen, welche eine lebendige Demokratie gewährleisten, und ist für dies alles zugleich die Grundvoraussetzung. Aufklärung und Freiheit sind ohne Frieden nicht möglich und schaffen ihn zugleich.
Menschlichkeit und menschliche Solidarität sind spirituelle Eckpfeiler des Friedens, können aber auch ohne diesen nicht gelebt werden. In diesem Kreis eines humanistischen Wertesystems sind alle Teile gleich wichtig und bedingen sich gegenseitig.
Friede kann, muss aber nicht gleichzeitig Harmonie bedeuten. Auch im Frieden soll es möglich sein, sich zu streiten. Es wäre völlig unrealistisch, zu glauben, die Menschen könnten sich so gleichschalten lassen, dass es keine Meinungsverschiedenheiten, keine Interessenkonflikte mehr gibt. Was wir in der Welt brauchen, ist kein Friedhofsfriede, sondern eine neue Streitkultur, in der im persönlichen Bereich die Auseinandersetzung durch Gewaltanwendung und im staatlichen Bereich die Fortsetzung einer schlechten Politik mit unmenschlichen Mitteln, sprich Krieg, weitestgehend ausgeschlossen werden. Dafür benötigen wir neue gewaltfreie Schlichtungsmethoden und auch Friedensinstitutionen auf allen Ebenen, die den Frieden - von der Familie bis hin zur Weltgemeinschaft - fördern. Der Friede kann letztlich nicht von außen verordnet werden, sondern muss von selbständig denkenden Menschen gelebt werden. Wir brauchen eine »Kultur des Friedens« (UNESCO).
Es wäre aber auch naiv, zu glauben, der Weltfriede ließe sich ausschließlich mit gewaltfreien Mitteln verwirklichen und sichern. Selbstverständlich müssen gewaltfreie Aktionen und zivile Konfliktlösungsstrategien mehr als bisher gefördert und in das internationale Friedenssicherungs- und Erhaltungssystem eingebettet werden. Es muss ihnen sogar vor allen anderen Maßnahmen gegen unfriedliche Zustände der Vorrang eingeräumt werden, sofern es die Lage erlaubt. Wir brauchen dafür einen internationalen Zivilen Friedensdienst, als Pendant zu den »Blauhelmen« der Vereinten Nationen.
In letzter Konsequenz muss aber auch - im Interesse der unmittelbar bedrohten Menschen – ein Gewalt abwehrendes Eingreifen mit polizeilichen Möglichkeiten, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel und im Einklang mit dem Völkerrecht, schnell und wirksam möglich sein. Hierfür braucht die Weltgemeinschaft - statt von Fall zu Fall abkommandierte nationale Streitkräfte – einen dafür spezialisierten übernationalen Friedensschutz, der am Anfang einer Entwicklung stehen muss, welche die Abschaffung sämtlicher nationaler Rüstungs- und Militärapparate und die allgemeine und vollständige Abrüstung möglich machen wird. Solche Schritte sind allerdings ohne die Weiterentwicklung des internationalen Rechts, bis hin zu einem wirklich funktionierenden und durchsetzbaren globalen rechtsstaatlichen System, nicht denkbar.
Es gibt eine Hoffnung
In der Mitte des 20. Jahrhunderts, nach zwei verheerenden Weltkriegen, kam es zur Gründung der Organisation der Vereinten Nationen (UNO). Sie wurde ein matter Abglanz dessen, was sich die Initiatoren damals zur Sicherung des Weltfriedens vorgestellt hatten. In der Zeit des Kalten Krieges – und bis heute noch - wird sie als Spielball der Weltmächte missbraucht. Dennoch entwickelte sich die UNO zu einem noch nie da gewesenen Forum der Völker. Trotz aller Fehl- und Rückschläge ist die UNO mit ihren Sonderorganisationen heute ein sehr lebendiges Instrument zur Sicherung des Weltfriedens und zur Bewahrung der Lebenstauglichkeit des Öko-Systems Erde. Sie könnte diesbezüglich noch viel mehr leisten, was aber ohne Reform und Weiterentwicklung nicht möglich sein wird.
Es muss deshalb ein besonderes Anliegen aller aktiven Weltbürgerinnen und Weltbürger rund um den Globus sein, ihre nationalen Regierungen dazu zu drängen, mehr als bisher für die UNO zu tun. Wir müssen auf allen Ebenen politisch aktiv werden, um die Weiterentwicklung der Vereinten Nationen möglich zu machen. Bestrebungen, die darauf abzielen, eine friedliche und gerechte Weltordnung ohne die Berücksichtigung der UNO erreichen zu wollen, ja diese sogar ablehnen oder abschaffen möchten, sind nicht realistisch. Bei aller verständlichen und berechtigten Kritik gegenüber der UNO - die ja auch nur das tun kann, was die Mitgliedstaaten ihr zubilligen - wäre das der falsche Weg.
Wir Weltbürgerinnen und Weltbürger wollen kurzfristig durch unsere politische Arbeit, aber auch durch Einflussnahme in wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und religiösen Bereichen, dazu beitragen, dass sich das Ansehen der UNO in der Öffentlichkeit verbessert. Mittelfristig müssen wir uns für eine Demokratisierung des Systems der Vereinten Nationen einsetzen, so wie wir uns auch für mehr Demokratie im eigenen Land und im engeren Lebensbereich engagieren sollten. Wir wollen überhaupt mit all unseren Möglichkeiten, Fähigkeiten und in Kooperation und Vernetzung untereinander daran arbeiten, dass ein humanistisches Wertesystem mit allen seinen Elementen von der kleinsten sozialen Zelle, der Familie, bis hin zur Weltgemeinschaft der Menschheit zum tragen kommen kann.
Es gibt ein Ziel
Unsere Sorge und unser Bestreben gilt dem Überleben der Menschheit in einer Weltkultur, die im Einklang mit unserer Mitwelt steht, die diese nicht zerstört, sondern ein respektvolles Zusammenleben von Menschen, Tieren und Pflanzen ermöglicht. Die Erde wird als unsere Lebensgrundlage anerkannt und gepflegt. Wir wollen eine Welt ohne Krieg, in der die meisten heute vorhandenen Probleme gelöst werden und neu auftretende Probleme aufgrund der effektiveren Zusammenarbeit zwischen den Menschen schneller in den Griff zu bekommen sind. Die äußere Wandlung zu solch einer neuen Kultur kann im Guten nur erfolgen, wenn spiegelbildlich dazu eine innere Entwicklung stattfindet und bewusst gefördert wird. Jeder Mensch muss seine eigene Ethik und Spiritualität, sein selbstbestimmtes Handeln finden, damit er als kraftvolle Persönlichkeit ein soziales Wesen in der Menschheitsfamilie sein kann. Wir Weltbürgerinnen und Weltbürger setzen die Förderung der inneren Entwicklung und Selbständigwerdung jedes einzelnen Menschen, sowie die Wandlung zu einer neuen Kultur voraus und beschäftigen uns vor allem mit den dazugehörenden weltpolitischen Gesichtspunkten.
Aber selbst wenn dies alles irgendwann zu spürbarem positiven Fortschritt führen sollte, ist nicht automatisch gewährleistet, dass er auch auf Dauer Bestand haben wird. Als Weltbürgerinnen und Weltbürger müssen wir uns deshalb heute schon darüber Gedanken machen, wie wir eine zukünftige bessere und friedlichere Welt rechtlich und tatsächlich absichern wollen. Anhaltspunkte für eine stabile und gerechte Weltordnung ergeben sich aus den Erfahrungen vieler demokratischer Nationalstaaten. Besonders die wirklichen Föderationen, in denen die einzelnen Teilstaaten gleichberechtigt vereint sind, geben gute Beispiele für eine globale politische Ordnung. In einer idealen Föderation erhalten die jeweils kleineren Bereiche, bis hin zu den Gemeinden, soviel Autonomie wie irgend möglich. Souveränität wird an die jeweils größere Verwaltungseinheit, bis hin zur Weltgemeinschaft, nur soweit unbedingt erforderlich, abgegeben. Aber wir wissen, dass vollkommene Idealzuständen äußerst selten erreicht werden. Der schwierige Weg der Europäischen Union ist - bei aller Kritik zu bestimmten Fragen - beispielhaft. Es wäre aber naiv zu meinen, diese Erkenntnisse ließen sich einfach so auf die Weltebene übertragen, ohne dass die vielschichtige Problematik zwischen den Nationalstaaten der Erde Berücksichtigung findet.
Das Ziel der politischen Einigung der Menschheit muss die ökologische und demokratische Weltföderation sein. Der Weg dorthin führt über die schrittweise Demokratisierung und Weiterentwicklung der Vereinten Nationen. Wir müssen als aktive Weltbürgerinnen und Weltbürger erkennen, dass die Entwicklung nicht automatisch kommt und dass diese Angelegenheiten nicht mehr alleine Sache der Berufspolitiker und Machthaber sein dürfen. Auch wollen wir keinen zentralistischen Weltstaat mit einer mächtigen Weltregierung, der dann entstehen könnte, wenn der Druck der Probleme so ansteigt und die Ereignisse sich dermaßen überstürzen, dass bei dem nun unumgänglichen Einigungsprozess hektischer Aktionismus statt ruhige Vernunft das Geschehen bestimmt. Wir wollen Weltbürger sein, keine Weltuntertanen. Wir streben den Weltfrieden an, nicht die Fortsetzung der Kriegsgeschichte durch Weltbürgerkriege. Deshalb setzen wir uns schon heute für eine ökologische und demokratische Weltföderation ein, auch wenn viele das noch als Utopie ansehen.
Unser Ziel ist »...eine solidarische Weltföderation mit Planung der Zukunft der Menschheit im Dienste von Frieden, Wohlfahrt und Kreativität,« (Ossip K. Flechtheim). Weltföderalismus bedeutet hier auch, dass sich der Föderalismus auf der ganzen Erde zum durchgehenden politischen Ordnungsprinzip entwickeln muss, vom kleinsten Dorf bis hin zur globalen Gemeinschaft. Der Weltföderalismus wird garantieren, dass alle örtlichen und regionalen Besonderheiten berücksichtigt und gewahrt bleiben und dass lebendige Demokratie auf allen Ebenen gedeihen kann. In einer solchen Weltordnung werden zwischenmenschliche Konflikte zwar nicht auszuschließen sein, sie lassen sich aber viel leichter schlichten. Es werden überhaupt ganz andere Verhältnisse auf der Erde vorherrschen als heute.
Unsere Aufgabe als Weltbürgerinnen und Weltbürger ist es, diesem Ziel Schritt für Schritt näher zu kommen. Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Viele erkennen heute, was alles falsch läuft. Unsere Arbeit muss es sein, die Ansätze zu erkennen, die heute schon in die richtige Richtung weisen, und hier mit unserer ganzen Kraft und Solidarität beizustehen. Dort wo noch keine entsprechenden positiven Ideen vorhanden sind, soll es unser besonderes Anliegen sein, diese zu finden und auf den Weg zu bringen.
Der Weg ist lang und geht weit über unsere Lebensspanne hinaus. Wir sollten den Weg selbst jedoch nicht zu gering schätzen, nur weil das große Ziel nicht von heute auf morgen zu erreichen ist. Es lohnt sich, die Risiken und Nebenwirkungen des friedlichen Engagements auf uns zu nehmen, um einer besseren Zukunft, aber auch um unserer selbst hier und heute willen. Das Ziel zahlt sich nicht erst dann aus, wenn es irgendwann voll und ganz erreicht ist. Wenn wir uns bemühen, den Frieden und die Menschenrechte zu sichern und den Planeten Erde als unsere Lebensgrundlage zu erhalten, und wenn wir uns für die Einheit der Menschheit einsetzen, so sind wir damit der richtigen Sache verpflichtet. Wir gewinnen persönlich aus der menschlichen Solidarität untereinander und finden neue Formen der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens. Der Gewinn für jede und jeden einzelnen von uns ist schon auf dem Wege bedeutend. Wer ist bereit, mit uns zu gehen?
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