Es geschah an einem trüben Dienstag im November. Wattenbergs Kammer am Verwaltungsgericht hatte einmal wieder eine Reihe von Asylverfahren auf dem Sitzungsplan - Routinesachen. Die Berichterstatter trugen ihre Rechtsauffassungen vor, die von der Kammer zuvor gebilligt worden waren, und dann gab es ein kürzeres, manchmal heftigeres Disput mit den Anwälten der Kläger oder dem Vertreter der Behörden, danach wurde - ohne jede Beweisaufnahme - nach nur kurzer Beratung das Urteil verkündet, genauso, wie es zuvor als Rechtsauffassung vorgestellt worden war. Die Fälle, in denen Beweise erhoben werden mußten, wurden an gesonderten Sitzungstagen abgehandelt. Nunmehr sah Wattenberg im Zuschauerraum, wo sich eigentlich nur die Beteiligten der folgenden Verhandlungen versammelten, einen schlanken jungen Mann mit dunkeler Hautfarbe, der Wattenberg bekannt vorkam. Bald gesellte sich ein Rechtsanwalt zu ihm - Wattenberg kannte den Anwalt, und da wußte er, daß es sich um den Asylbewerber handelte, in dessen Fall Wattenberg in schätzungsweise einer halben Stunde die Rechtsansicht des Gerichts vorzutragen hatte, wonach dieser junge Mann keinen Rechtsanspruch auf Asyl habe, seine Flucht nach Deutschland rein wirtschaftliche Gründe habe, seine politische Verfolgung nicht ausreichend substantiiert und unglaubhaft vorgetragen sei. Wattenberg fühlte, wie ihm ein paar Schweißtropfen auf die Stirn traten.
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