Wattenberg hatte sich für die Strategie der offenen Karten entschieden. Er erklärte schlankweg, aus reiner Verlegenheit Jura studiert zu haben, sich mit List und Tücke durch's Studium und mit einem Kraftakt an Fleiß und Disziplin durchs Examen gebracht zu haben, und erst später, als Assistent und Referendar die Freude an der Jurisprudenz und am Justizberuf entdeckt zu haben. Schließlich war es ja auch ein Erfolg gewesen: eine der begehrten Assistentenstellen an der Uni ergattert zu haben, Lehrveranstaltungen abhalten zu dürfen, und Wattenbergs Zeugnisse, die er von seinen Ausbildern erhalten hatte, waren ja auch durchaus nicht schlecht gewesen. Insbesondere sein Zivilrichter hatte ihm die Höchstnote gegeben, ihn auf zwei Seiten hochgelobt, und über die Zivilgerichtsbarkeit drehte sich sodann auch das Gespräch mit der Kommission über die längste Zeit. Es lief locker ab. Die Lehrtätigkeit Wattenbergs an der Uni war auch hier mal wieder ein Vorteil gewesen - vor einer Kommission zu sitzen, frei zu sprechen, auch mal zu improvisieren, das ging Wattenberg leicht von der Hand. Das Fahrwasser, daß Wattenberg fürchtete, kam erst ganz am Ende. Der Landgerichtspräsident, der den Vorsitz in nonchalantem Plauderton führte, kam ganz selbstverständlich auf diese privaten Seiten zu sprechen. Nein, Wattenberg war nicht verheiratet, auch nicht verlobt. Seine erste Beziehung war in der Vorbereitungszeit zum 1. Examen kaputtgegangen gewesen, da schaut man dann beim nächsten Mal doch noch etwas genauer hin, ob er, Wattenberg, seine aktuelle Freundin heiraten wolle - das könne er heute wirklich noch nicht sagen, wirklich nicht. Das Scheitern einer Beziehung stelle dann natürlich auch immer die Verantwortung vor Augen, wenn soetwas passieren würde, wenn eine Familie schon gegründet, Verantwortung auch für Kinder auch in dieser Situation zu tragen sei. Da denke man doch lieber noch etwas länger darüber nach, erklärte Wattenberg. Obschon der Landgerichtspräsident ihm stets Verständnis äusserte, ja Wattenberg beipflichtete - der Blick des Landgerichtspräsidenten bekam einen leichten Zug von Härte und Mißtrauen, das Wattenberg aus der Referendarzeit nur zu gut kannte von den Richtern, wenn sie Zeugen, Parteien, Angeklagten zuhörten, und sich nichts anmerken lassen wollten. Auch Wattenberg hatte sich nichts anmerken lassen wollen, und war zuversichtlich, daß ihm das gelungen war.
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