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Samuel Ngungo, am 6.8. 2003 um 22:24:17 Uhr
Wasserfall

Ich wandere gerne, und ich weiß nicht, wie oft schon die Zweribachfälle nördlich von Sankt Märgen mein Ziel waren. Anders als bei den meisten schönen Wasserfällen im Schwarzwald führt hier keine Autostraße bis kurz vors Ziel, weshalb die Freude am Naturschauspiel von keinen lärmenden Touristenmassen getrübt wird. Das letzte Mal war ich dort an einem Samstag Vormittag. Trotz des schönen und warmen Wetters war ich auf meinem Weg niemandem begegnet und nahm an, daß die anderen Menschen mit ihren Wochenendeinkäufen beschäftigt waren. Die Sonne brannte von einem blauen Himmel und in der Gischt des Wasserfalls stand ein Regenbogen, den ich mehr ahnte als wirklich sah. Der Wald duftete hier noch intensiver nach Harz. Mir war vom Wandern heiß geworden, und ich ließ mich auf einem der großen, von Wasser umspülten Steine nieder. Als ich meine Schuhe und Socken auszog, um ein Fußbad zu nehmen, schoß mir plötzlich eine ganz andere Idee durch den Kopf, ein alter, nie verwirklichter Traum. Es war keine Menschenseele zu sehen, also zog ich mich splitternackt aus, stapelte meine Klamotten ordentlich auf den großen Stein und kraxelte über andere Steine und Geröll bis unter den Wasserfall. Ich stellte mich unter das wie in Zeitlupe herabfallende, sich in viele Strahlen und Tropfen teilende Wasser. Nur für einen Moment empfand ich das kalte Naß wie einen Schock. Dann schloß ich die Augen, breitete die Arme aus und ließ das kühlende Wasser über meinen nackten Körper laufen. Ich hörte nichts als das scheinbar an- und abschwellende Rauschen der stürzenden Wassermassen und hin und wieder ein Glucksen in den kleinen Wasserlöchern zu meinen Füssen. Als ich die Augen wieder öffnete, stand eine junge Frau unten am Weg. Sie hatte eine Art graues Dirndlkleid an und trug trotz der Hitze Strümpfe, die aussahen, als seien sie aus Wolle. Sie stand regungslos da, und die von dicken Brillengläsern geschützten Augen blickten mich ernst und unverwandt an. Sie wirkte auf mich, als käme sie geradewegs vom Bibelgesprächskreis einer obskuren Sekte. Da sie stumm blieb, rief ich schließlich: »Hallo, guten TagImmerhin erwiderte sie meinen Gruß, wenn auch ohne Eile, mit einem artigen »Grüß Gott«, ohne das ihr Gesicht irgendeine Emotion verriet. Da ich mich jetzt in meiner Nacktheit ziemlich unwohl fühlte, strebte ich meinen Kleidern zu, die allerdings fast direkt neben der seltsamen Frau auf dem Stein lagen. Sie stand einfach da und schaute mir zu, wie ich mich ihr langsam näherte, indem ich unbeholfen über die großen Steine im Bach kletterte. Das Pendeln meines Gliedes gab mir, wie ich glaubte, den Anschein des Lächerlichen. Als ich die Frau fast erreicht hatte, überraschte sie mich mit einer seltsamen Feststellung: »Das Nacktbaden ist hier eigentlich nicht erlaubt.« »Ich habe geduscht«, rechtfertigte ich mich, »nicht gebadet«. Inzwischen hatte ich meine Kleider erreicht, da fiel mir ein, daß ich kein Handtuch dabei hatte. Hilflos, triefend und wie außer Atem stand ich direkt vor der Frau. »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie jetzt so anstarre«, sagte sie, »aber ich bekomme sonst nie einen nackten Mann zu Gesicht, das können sie doch verstehen, oder


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