Wahnvorstellungen
Ein Beispiel:
Frau J., 60jährige Patientin, ist zweite von drei Geschwistern. Sie hatte stets unter ihrer älteren Schwester gelitten, die sie als Rivalin schikaniert habe. Zum jüngeren Bruder bestand ein besseres Verhältnis. Frau J. lernte Kindergärtnerin und war später Sozialpädagogin bis zu ihrer Berentung, lange Zeit an einer Berufsfachschule tätig.
Schon Jahre vor der jetzigen Therapie begannen „so glaubte sie” Belästigungen durch einen Rauschgifthändlerring. Sie habe damals im Hause eines Dealers gewohnt, der ihr Schwierigkeiten bereitete. – Sie glaubte – in ihrer Abwesenheit betrat man ihre Wohnung, benutzte ihr Telefon, bestaubte ihre Möbel, vergiftete die Wohnung und entwendete Gegenstände. Beispielsweise war ein rosefarbener Sessel plötzlich, nach dem sie kurz abwesend gewesen war, weiß wie rauhreif. Die Polizei habe ihr nicht helfen können.
Sie zog wegen dieser Belästigung um, jedoch auch nach dem Umzug, wo sie hoffte, Ruhe zu haben, wurde sie weiterhin belästigt. Nach ihrer Pensionierung habe sie zunächst zusammen mit ihrer Schwester in ihrem Heimatort gewohnt, diese sei aber zunehmend schwierig geworden, so dass beide auseinander zogen. Sie glaubte, ihre Schwester habe von den Rauschgifthändlern alles übernommen um sie weiter zu quälen. Immer noch werde sie von Rauschgifthändlern beschattet. Ihre Schwester habe sie belogen, betrogen und bestohlen. Sie müsse ihrer Schwester die Schuld daran geben, dass sich ihre Krankheit verschlechtert habe.
Im Gespräch stand Frau J. unter starker Spannung, so dass kein echter Kontakt zustande kommen konnte. Bei äußerer Liebenswürdigkeit ist sie weder bereit, bezüglich ihres Wahnes Konzessionen zu machen noch bei mangelnder Krankheitseinsicht eine Behandlung zu akzeptieren.
Diagnostisch wurde eine paranoide Psychose mit chronifiziertem Beeinträchtigungswahn festgestellt.
Dieses Beispiel zeigt nur einen kleinen Ausschnitt dessen, wie Menschen ihre subjektive Wahrheit erleben können. Solange andere Menschen im Zusammenleben nicht beeinträchtigt werden, werden diese Verhaltensweisen von den Mitmenschen gut toleriert. In dem Moment, in dem das Zusammenleben aber gestört, zum Teil auch unmöglich wird, ist professionelle Hilfe unumgänglich.
Wenn man wahnkrank ist, so ist das Denken dermaßen festgelegt, das es fast unmöglich erscheint, die Gedankengänge der anderen Menschen zu akzeptieren und als normal zu betrachten. Im Folgenden soll ein Witz die Form des Denkens näher erläutern:
„... aus den Verkehrsnachrichten: Achtung Autofahrer, auf der A 57 kommt ihnen in Richtung Krefeld ein Falschfahrer entgegen. Der Falschfahrer, der diese Meldung hört, antwortet vor sich hin: einer, ist gut, das sind hunderte”.
Durch dieses Beispiel wird verständlich wie festgelegt im Denken jemand ist, der wahnhaft denkt. Für die allermeisten ist offensichtlich, wer der Falschfahrer ist, der Falschfahrer hingegen sieht die anderen als Falschfahrer und ist nicht von der Irrigkeit seines Denkens zu überzeugen.
Das wahnhafte Denken kann bei vielen psychiatrischen Erkrankungen auftreten und bedarf der fachärztlichen Abklärung. Die größte Hürde ist es, überhaupt den Patienten zu einem psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachgespräch zu bewegen, da dieser ja von der Richtigkeit seines Denkens überzeugt ist. Ist diese Hürde erst einmal genommen, so ist die wichtigste Aufgabe des Therapeuten, im Kontakt mit seinem Patienten zu bleiben, den Patienten also nicht sofort von der Irrigkeit seines Denkens zu überzeugen.
Wahnhaftes Denken kommt bei verschiedenen Erkrankungen vor (im Rahmen depressiver Erkrankungen z.B. der Schuldwahn oder auch Verarmungswahn). Die Patienten haben das Gefühl bzw. die wahnhafte Überzeugung, schwere Schuld auf sich geladen zu haben gegenüber Gott oder anderen Instanzen oder die wahnhafte Überzeugung, nicht genug finanzielle Mittel zum Lebensunterhalt zu haben.
Im Beziehungswahn werden selbst belanglose Ereignisse ichbezogen, bezüglich der eigenen Person gedeutet. Der Patient bzw. betroffene Mensch ist davon überzeugt, dass nur etwas seinetwegen geschieht.
Im Eifersuchtswahn besteht die Überzeugung, vom Lebenspartner betrogen und hintergangen worden zu sein, ohne das es hierzu überhaupt einen Realitätsbezug gibt.
Im hypochondrischen Wahn besteht die wahnhafte Überzeugung, schwer körperlich erkrankt zu sein.
Im Größenwahn besteht eine Selbstüberschätzung und Selbstüberhöhung z.B. Wahn, hoher Abstammung zu sein, bzw. Herrscher der Welt zu sein.
Im Kontaktmangelparanoid, häufig im Alter auftretend, häufig auch im Zusammenhang mit Gehirnabbauprozessen, entstehen Wahngedanken auf Grund von Vereinsamung, nach Verlust des Kontaktes zur Umgebung.
Auch bei Schwerhörigen können Wahnentwicklungen auftreten; obwohl Hörverlust besteht, werden Dinge wahrgenommen, die nicht existent sind. Dies geschieht insbesondere nach jahrelanger Isolation.
Wahnentwicklungen können, wie oben angegeben, in verschiedenen Krankheitsbildern vorkommen. Neben schweren depressiven Erkrankungen, schizophrenen Psychosen und auch schweren neurotischen Beeinträchtigungen, finden sich - wie in einigen Beispielen bereits angegeben - auch isolierte Wahnentwicklungen, ohne das andere tiefgreifende Persönlichkeitsveränderungen beobachtet werden können.
Die Wahnerkrankungen bedürfen der fachärztlichen Diagnostik und Therapie, sie sind in der Regel, bei Mitwirkung der Patienten, gut behandelbar.
--
AlwaysUltra
|