Wagen
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Dieser Artikel befasst sich mit dem Fahrzeug Wagen, weitere Bedeutungen unter Wagen (Begriffsklärung)
Gedeckter Wagen, Original-Modell, 2.000 v. Chr
Rekonstruktion in Odense
Rekonstruktion in OdenseInhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Definitionen
2 Geschichte
2.1 Wagen und Wege
3 Sprachgebrauch
4 Siehe auch
5 Literatur
Definitionen [Bearbeiten]Ein Wagen ist ein von Rädern getragenes mehrspuriges, im engeren Sinne auch mehrachsiges Fahrzeug. Einachsige Wagen heißen in aller Regel Karren, eine Ironie der Sprachgeschichte, da das lateinische Herkunftswort carrus genau den vierrädrigen Wagen bezeichnet. Die Verbindung zwischen Ladefläche oder Wagenkasten, Achse und Rädern kann unterschiedlich sein: Wenn die Räder starr mit ihrer Achse verbunden sind, die sich mit ihnen zusammen dreht, spricht man von einem Radsatz. Radsätze hatten die allerersten Wagen, haben aber auch die meisten Schienenfahrzeuge. Dreht sich die Achse nicht mit, so wird der innere, ihr aufsitzende Ring des Rades als Nabe bezeichnet. Lässt sich bei mehrachsigen Straßenfahrzeugen eine Achse oder Teile davon auch um eine vertikale Drehachse bewegen, was die Kurvenfahrt erheblich erleichtert, so spricht man von Lenkung.
Von Zugtieren gezogene Wagen werden Fuhrwerk genannt. Das kräftigsten Zugtier war der Ochse, das schnellste das Pferd, das wendigste das Maultier. Verbreitetet als Zugtier war auch der Esel. Von Menschen zu ziehende oder zu schiebende Wagen werden als Handwagen bzw. Handkarren bezeichnet. Fuhrwerke, Handwagen und Anhänger werden mit ein oder zwei Deichseln bewegt, zumindest aber gelenkt. Für Zugtiere gab bzw. gibt es außerdem ein Zuggeschirr.
Bei Motorantrieb unterscheidet man motorisierte Wagen, die auch Platz für den Transport von Fahrgästen und Material bieten, Kraftwagen = Automobile (Autos) im Straßenverkehr, Triebwagen im Schienenverkehr, von Zugmaschinen, auf bzw. in denen im Wesentlichen nur Maschine, Fahrzeugführer und Brennstoff Platz haben, also Traktoren und im Schienenverkehr Lokomotiven.
Pedalgetriebene Fahrzeuge werden üblicherweise auch dann nicht als Wagen bezeichnet, wenn sie mehrspurig sind. Weichen sie sehr stark vom Erscheinungsbild eines Fahrrades ab, so werden sie mit dem englischen Kürzel HPV benannt (human power vehicle).
Geschichte [Bearbeiten]In der Geschichte des Transportwesens waren Vorläufer des Wagens einerseits radlose Transporteinrichtungen (wie Schlitten und Schleife), andererseits der Transport schwerer Lasten auf massiven Rollen.
Die ersten Wagen sind für das 4. Jt. v. Chr. in Mesopotamien nachgewiesen. Sie wurden von Ochsen gezogen und hatten Radsätze und Scheibenräder, die zunächst klein und einteilig, später größer und mehrteilig waren.. Es gibt in Europa mindestens zwei Zentren, in denen unabhängig davon Karren bzw. Wagen entstanden. Um 2000 v. Chr. wurde – wiederum in Mesopotamien – das Speichenrad erfunden. Wagen und Karren mit einzeln auf die Enden der Achse gesteckten Rädern waren leichter und dadurch beweglicher. Ein Beispiel sind die – einachsigen – Streitwagen der antiken Hochkulturen.
Reisewagen. (Auszug Jakobs und seiner Söhne nach Ägypten. Aus der Toggenburger Bibel im Kupferstichkabinett zu Berlin.)
Frachtwagen. Ausschnitt aus einem Holzschnitt aus »Vergil«. Straßburg 1502.Vierrädrige Wagen mit lenkbarer Vorderachse sind für das 2.Jh. nach Chr vor allem im römischen Gallien sicher nachgewiesen [1]. Inzwischen nehmen allerdings Archäologen an, dass auch zunächst mit starrer Vorderachse rekonstruierte Wagen aus dem 2. Jh.vor Chr. (Dejbjerg) [2] schon lenkbare Vorderachsen hatten. Trotzdem hatten viele vierrädrige Wagen in der Römerzeit keine lenkbare Vorderachse. Im Mittelalter zeitweise so gut wie vergessen, setzte die Drehschemellenkung sich erst ab dem 13. Jahrhundert allgemein durch.
Auch Reisewagen mit federnd aufgehängten Wagenkästen hatten die Römer schon. Im 15.Jahrhundert wurde ein ähnliches Prinzip in Ungarn erfunden. Unter der Bezeichnung Kutschen verbreiteten sich die komfortabel gefederte Wagen dann schnell in ganz Europa. Erst nach der Erfindung der stählernen Blattfeder konnte man auch schwere Wagen federn.
Geschlossene Wagenkästen gab es schon im 16. Jahrhundert. Sie waren aber aus Gründen der Konstruktion und wegen der schlechten Straßen lange Zeit ein Gewichtsproblem. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam der geschlossenen Postwagen auf, der einem Teil der Passagiere guten Witterungsschutz bot.
Ab Anfang des 19.Jahrhunderts gab es auch zunehmend (wieder, Vgl. Römerzeit) befestigte Landstraßen (s.u.). Vorher verursachten die schmalen eisenbereiften Wagenräder tiefe Wagengeleise. Deswegen war in vielen Ländern die Spurweite der Fuhrwerke genormt.
Die heute bei Kraftwagen übliche Achsschenkellenkung wurde übrigens schon 1817 von einem Stellmacher (Wagenbauer) erfunden. [3] Etwa zur selben Zeit gelang es, durch Rad- und Speichensturz die Straßenlage und das Verhältnis von Gewicht und Stabilität zu verbessern.
Von großer Bedeutung für die Leistungsfähigkeit von Fuhrwerken war das Geschirr, mit dem die Zugtiere den Wagen zogen. Lange Zeit gab es für schwere Wagen nur das Joch. Im 9. Jahrhundert wurde das Kummet-Geschirr erfunden, das die Zugleistung der Tiere wesentlich verbesserte.
Besonders schwer beladene Wagen wurden bis ins 19. Jahrhundert mit Ochsen gezogen (Geschwindigkeit etwa zwei Stundenkilometer) und mit doppelten Rädern ausgestattet, vergleichbar mit den Zwillingsreifen heutiger LKW. Bei Pferdegespannen benutzte man für große Steigungen zusätzliche Vorspannpferde.
Der ersten maschinengetriebene Wagen war 1769 der Dampfwagen von Nicholas Cugnot, also über ein Jahrhundert vor den ersten Automobilen mit Ottomotor 1885/86.
Wagen und Wege [Bearbeiten]Sehr wichtig für die Effektivität der Zugtiere war die Qualität der Wege. Im Altertum bauten darum die Griechen einige steinerne Schienenwege und die Römer erschlossen ihr gesamtes Reich durch ein gut ausgebautes Straßennetz. Auch die Pferdeomnibusse des 19. Jahrhunderts ließen sich nur auf entsprechend ausgebauten Straßen ziehen. Bezeichnend ist auch die Pferdetraktion am Anfang der Eisenbahngeschichte: Zwar erreichte die Eisenbahn ihre weltweite Bedeutung mit der Dampflokomotive, aber die ersten Eisenschienen wurden für Pferdebahnen verlegt. Das gilt für die ersten Kohle- und andere Grubenbahnen in Großbritannien, für die erste Fernbahn des europäischen Kontinents 1827 entlang dem Goldenen Steig von Linz nach Budweis (České Budějovice), und für die ersten Straßenbahnen (New York 1832, Deutschland ab 1866).
Sprachgebrauch [Bearbeiten]Eine Besonderheit findet sich bei der Mehrzahlbildung von Wagen, die in einigen Regionen als »die Wägen« gebildet wird. Diese Form war im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch die vorherrschende Form im hochdeutschen Sprachgebrauch, jedoch ist die Leitvariante der Mehrzahlbildung jetzt zu »die Wagen« gewechselt. [4]
Siehe auch [Bearbeiten] Wiktionary: Wagen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen
Leiterwagen, Planwagen, Kutsche, Anspannung, Fahren
Verkehrsgeschichte, Spurweite
Referenzen
↑ Rekonstruktion eines römischen Reisewagens und eines Wagens aus der Hallstattkultur
↑ Keltisches Wagengrab von Boé mit Diskussion über Dejbjerg-Wagen. PDF, 60 MB
↑ Geschichte des Wagens und des Stellmacherhandwerks
↑ »Dritte Runde - Mehrzahl von Wagen«, Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA), Phil.-Hist. Fakultät, Universität Augsburg, 19. Juni 2006
Literatur [Bearbeiten]Fansa M. und Burmeister S. (Hrsg.): Rad und Wagen. 2004 ISBN 3-8053-3322-6
Walkowitz J.E.: Logistik im Neolithikum und Chalcolithikum In: Varia neolithica IV, 2006. ISBN 3-937517-43-X
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Wagen“
Kategorien: Fuhrwerk | Verkehrsgeschichte
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