Ich habe Schlafstörungen, lege mich erst um 10 Uhr morgens hin. Kann eine Weile schlafen, recht flach, werde immer mal wieder wach, trinke etwas.
Werde schließlich richtig wach, sehe auf die Uhr. 16 Uhr - Zeit für Star Trek. Schalte den Fernseher an.
Kein Stark Trek heute.
Was ist das?
Kraß! Voll Shadowrun! Heftig!
Moment mal, eigentlich viel zu früh. Oder?
Das ist das verdammte World Trading Center in NYC!
Plötzlich bin ich hellwach. Ich bin weder sonderlich geschockt, noch haben ich außerordentliche Angst - ich bin nur etwas verwundert.
Das Pentagon auch noch, höre ich jetzt. Treffend. Zwei große Symbole, Finanz und Militär. Ja, so hätte ich das auch gemacht.
Ich sehe schreiende Menschen, Panik auf den Straßen. Sie sind völlig unter Schock, sind in Todesangst. Überall Rauch und Tote.
Plötzlich stürzt das Gebäude ein. Sehr effektvoll, ihr Terroristen, wirklich sehr hübsch. 10 Punkte für die richtige Benutzung der Medien.
Ich hatte erwartet, daß so etwas passieren würde. Nur nicht so bald, nicht schon jetzt. In zwei oder drei Jahren vielleicht. Ich kann ein wenig mit diesen Menschen leiden, und ich kann ein wenig ihre Angst und ihren Schmerz nachvollziehen - aber es sind nicht meine Angst und mein Schmerz. Ich habe schon seit Jahren derartige Szenarien in meinem Kopf durchgespielt, und anfangs machten sie mir Angst. Da ich es aber in den letzten Monaten zu einem Spiel gemacht hatte, Anzeichen für die kommenden Umbrüche zu suchen, war ich nun nicht wirklich geschockt. Spätestens in zwei oder drei Jahren hatte ich eh irgendetwas von dieser Größenordnung erwartet.
Nun erwarte ich auch, daß ähnliche Dinge in der Zukunft öfter passieren werden. Die Welt wird innerhalb des nächsten Jahrzehnts ihr Gesicht radikal verändern, und niemand wird sie nachher wiedererkennen. Ich weiß nicht, ob ich lange genug leben werde, um das Ende zu sehen - ich weiß nur, daß es viele Tote geben wird. Ich weiß nicht, ob es einen dritten Weltkrieg geben wird, oder viele kleine Bürger- und Guerilla-Kriege auf der ganzen Welt, auch wenn mir letzteres wahrscheinlicher erscheint. Ich weiß, daß möglicherweise unsere gesamte westliche Zivilisation dies Jahrhundert nicht überdauern wird. Und wenn schon, Rom ist ja auch untergegangen, und die Menschheit hat es überlebt.
Ich habe nicht mehr Angst, als ich eh schon seit Jahren habe. Ich habe mich schon seit Jahren an die Angst gewöhnt, und auch, wenn ich jeden Menschen bedaure, der unschuldig sterben muß, weiß ich doch, daß es nicht zu verhindern war. Was geschehen muß, wird geschehen. Die Welt muß sich radikal verändern oder untergehen, denn so, wie sie ist, kann unsere Zivilisation nicht mehr lange bestehen. Radikale Umbrüche entladen sich immer in Gewalt, und ein derartig großer Umbruch führt zwangsläufig zu Krieg und Terror.
|