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wuming schrieb am 15.4. 2003 um 02:42:02 Uhr über

Vorkriegszeit


Ein Abschlachten kolonialen
Ausmaßes










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AMERIKA BLEIBT IN
VORKRIEGSSTIMMUNGHollywood interessiert sich
für die Story einer 19-jährigen Schönheitskönigin und
Kriegsgefangenen - Donald Rumsfeld für Syrien und
Iran

Aus Washingtoner Sicht hat der Krieg im Irak etwas länger
gedauert als erhofft - »shock and awe« war auf die Infanterie
angewiesen. Eine Minderheit in der USA protestiert weiter, und
die Weltöffentlichkeit entsetzt sich angesichts der blutigen Bilder.
Aber die Geschichte wird vom Sieger geschrieben.
Technologische Übermacht bestimmte den Ausgang, und nicht
wenige irakische Soldaten nutzten anscheinend jede Möglichkeit,
ihren Vorgesetzten zu entkommen. Auch wenn man dankbar sein
will für ein rasches Ende des Gemetzels: Donald Rumsfeld und
George W. Bush fühlen sich nun bestätigt. Wie beim Krieg gegen
die Taleban hätten die ewiggestrigen Kritiker wieder einmal das
Boot verpasst. Ein Abschlachten kolonialen Ausmaßes.

Die Nachkriegszeit, die Zeit nach dem Krieg im Irak, wird somit
wohl auch zur Vorkriegszeit, zur Vorbereitungszeit auf den
nächsten Waffengang, abhängig allerdings von der Länge und
den Problemen, die es mit der Besatzung an Euphrat und Tigris
gibt. In dieser neuen Epoche der Weltgeschichte setzt die
militärisch mächtigste Nation die Wünsche ihrer Regierenden mit
Waffengewalt durch. Der ehemalige CIA-Direktor James
Woolsey, Mitglied der offiziellen Beratungskommission des
Vereidigungsministeriums, plauderte kürzlich vor Studenten in
Los Angeles aus dem Nähkästchen. Der Vierte Weltkrieg habe
begonnen; dieser habe den Dritten - den Kalten Krieg mit seinen
zahlreichen internationalen Konflikten - abgelöst. Feinde seien
neben Irak auch die religiösen Herrscher in Iran, die
»Faschisten« in Syrien und islamische »Extremisten« wie al
Qaida. Die US-Nahostpolitik werde in den kommenden Jahren
und Jahrzehnten »viele Leute sehr nervös machen«, versprach
Woolsey, zur Zeit Vizepräsident der Beraterfirma Booz Allen
Hamilton, die vergangenes Jahr Aufträge vom Pentagon im Wert
von 688 Millionen Dollar bekam.

Auch die USA selber werden neu gestaltet. Der Krieg gegen den
Irak, gegen den Terrorismus, dient nebenher zur Begründung
eines rapiden Sozialabbaus (inklusive der Ausgaben für
Veteranen). Es geht zu wie bei Ronald Reagans
Hochrüstungsprogrammen. Überall fehlt das Geld, die
Amerikaner werden das zu spüren bekommen, wie auch die
Repressionsmechanismen der Regierung, die Verfechtern
bürgerlicher und individueller Rechte Angst und Schrecken
einjagen. Der Justizminister träumt von einem Ordnungsstaat, in
dem auch US-Staatsbürger ohne Anklage und Prozess
unbegrenzt lang eingesperrt werden dürfen. In Oakland -
Bürgermeister dort ist der liberale Demokrat und
Präsidentschaftskandidat Jerry Brown - setzt die Polizei
Gummigeschosse gegen Demonstranten ein, in San Francisco
werden mehr als tausend Menschen bei
Antikriegs-Kundgebungen festgenommen. In New York geht die
berittene Polizei gegen Protestierende vor. In Oregon liegt allen
Ernstes ein Gesetzesentwurf vor, Blockadeteilnehmer als
Terroristen zu klassifizieren.

Größtenteils freilich wird die Nation in sanfter Weise mit dem
Thema Krieg behandelt - mit Fahnen, vor allem rührenden oder
gar ergreifenden Geschichten über im Irak eingesetzte junge
Männer und Frauen. Fernsehzuschauer von San Diego bis nach
Boston erleben einen anderen Irak-Krieg als die Deutschen, die
sich das Programm der ARD ansehen, beobachtete kürzlich
selbst die Washington Post: Auf deutschen Bildschirmen gäbe
es Skepsis und Leichen - auf amerikanischen Bush und
Rumsfeld. Allgegenwärtig bleiben ständige Warnungen vor
Anschlägen, obwohl selbst das neue Heimatschutzministerium in
Washington einräumt, es lägen keine konkreten Hinweise vor.

Auf Autobahnen warnen Leuchtschriften, man solle
»Verdächtiges« melden. Was »verdächtig« ist, bleibt dem
Beobachter überlassen. Ein Hinweis im Washingtoner
Hauptbahnhof, versehen mit nicht weniger als sechs
Ausrufezeichen: »Vergessen Sie nicht, unsere Streitkräfte stehen
im KriegStatt drogenschnüffelnden Schäferhunden jetzt
Bombenschnüffler. Die Kriegsstimmung verdrängt naheliegende
Fragen nach dem Charakter einer Nation, die hochtrainierte
Spezialeinheiten eine 19-jährige Kriegsgefangene befreien lässt,
die sich »freiwillig« zum Militär gemeldet hat, um so ihre
Ausbildung zur Kindergärtnerin zu finanzieren. Die Aktion wird
von einem Militärflugzeug aus gefilmt und life in die militärische
Kommandozentrale übertragen. Hollywood-Firmen klopfen nun
angeblich an, bei den Eltern der jungen Frau aus West Virginia.
Blond ist sie und die ehemalige Schönheitskönigin ihres
Landkreises. Happy End.

Für die Männer an der Macht sind der Unilateralismus und die
internationale Isolierung der USA in den Augen der
Weltöffentlichkeit kein Problem. Eher das Gegenteil: Können sie
machen, was sie wollen, müssen sie auf niemanden hören,
höchstens noch auf Tony Blair, der inzwischen freilich nicht mehr
abspringen kann vom rollenden Zug. Geht es nach Rumsfeld und
wohl auch Bush, soll Europa nicht viel mehr sein als Zaungast
beim Neuordnen der Welt, die UNO wenn möglich Feigenblatt
und sonst eine Art Rotes Kreuz mit Hauptquartier in New York.
Rumsfeld hat ja schon Syrien und Iran »gewarnt«. Bob
Woodward schreibt wohl bereits an seinem nächsten Buch.


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