Ich hatte einen sozialen Kontakt, heute, völlig unerwartet. Ich lief wie so oft von Oberwalluf nach Eltville und auf dem Rückweg, mitten im Neubaugebiet von wo man besser nicht nach dem Weg fragt weil beide Richtungen erst mal kompliziert sind, hielt ein Kleinwagen mit einer Frau zwischen fünfzig und sechzig die mit französischem Akzent nach dem Weg nach Wiesbaden fragt. Ich zögere, nehme die Hand an den Mund, sage gleich, das ist von hier aus kompliziert, sie können beide Richtungen fahren, aber am besten ich steige bei ihnen ein, ich muß ein Stück Weg in ihre Richtung laufen. Sie zögert, ich fahre sogleich fort und deute Richtung Eltville, da müssen Sie die Straße ganz vor fahren, dann links und gleich rechts, durch ganz Eltville hindurch, das macht ein paar Kurven und dann hinter Eltville geht es auf die Autobahn, sie winkt ab, zu kompliziert, ich deute in meine Laufrichtung, sage, in diese Richtung ist es ein wenig einfacher, aber sie müssen sich auskennen, nun macht sie eine einladende Geste, sie wollten mitfahren..... ich, ja, gut, umrunde den Wagen, sie öffnet, ich setze mich, ich soll mich anschnallen. Sie müssen hier wenden. Sie wendet auf der Straße. Wir fahren ein Stück. Das Neubaugebiet endet hier in verwinkelten Sackgassen, nur ein asphaltierter kleiner Feldweg führt weiter geradeaus, ich sage, sie müssen diesen kleinen Weg nehmen, sie, aber, ich, nein nein, da darf man fahren, normalerweise ist der nur landwirtschaftlich, aber er ist frei wegen der Sperrung des Bahnübergangs, sie fährt, da haben sie ja einen weiten Spaziergang sagt sie, ich, ja, in dem Ort in dem ich wohne gibt es keine Geschäfte, das ist mein täglicher Einkaufsweg, ein wenig Sport. Sie sind also nicht motorisiert, sie. Ich, lachend, nein. Ich bin nicht motorisiert. Da haben Sie ja jetzt zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, mir den Weg gezeigt und sich den Rückweg erspart. Ich, ja, denke, naja, Sport getauscht gegen Sozialkontakt. Wir kommen an der Kuppe von Oberwalluf an. Dort geht es erst eine kleine Strße recht steil hinunter, sie fährt an den Randstein, oh, ich habe ein Problem, ich kann nicht bergab fahren, ich bin ein ängstlicher Hase. Ich sage, einfach nur im zweiten Gang rollen lassen. Nach einigen Versuchen zwischen erstem Gang und zweitem Gang gelingt ihr dies. Das sagt mein Sohn auch, sagt sie. Wir kommen heil unten an. Von dort habe ich ein kleines Stück Rückweg, und es ist eine gute Stelle um sie auf die Autogahn nach Wiesbaden zu lotsen. Hier nur noch ganz den Berg hinauf und dann rechts abbieben, dann kommen sie automatisch auf die Autobahn Richtung Wiesbaden. Sie bedankt sich, ich sage Tschüß. Sicher hat sie eine gewisse Angst überwunden. Und ich bin froh, erstens, das ich harmlos bin, und zweitens, das ich auch diesen Eindruck erwecken konnte, das ist mir ja in den Jahren zuvor eher selten gelungen, immer rutschte mir irgendeine kleine absolut unpassende Bemerkung heraus. Was mich aber am meisten irritierte, ich habe erstens keinen Brocken Französisch aus mir herausgekramt und habe sie fleissig radebrechen lassen, das hätte ich früher niemals getan, und zweitens, sie sah meiner damaligen Schwiegermutter verdammt ähnlich, wie sie vor dreissig Jahren aussah, das ängstlicher Hase passte auch zu ihrem Charakter, sie hätte wahrscheinlich in die Hose Pippi gemacht wenn ein Unbekannter zu ihr ins Auto gestiegen wäre, kurz dachte ich, meine ehemalige Frau ist nun in diesem Alter, aber sie konnte es nicht sein, das hätte ich glaube ich sicher bemerkt, nein, niemals war sie das, ich glaube, sie ist noch immer etwas hektisch und jedenfalls fährt sie eher wie der Teufel Auto als ängstlich. Aber dieser unerwartete Sozialkontakt hat mich eine Zeitlang richtiggehend schmunzeln lassen. Ein Mensch. Der nach anfänglichem Zögern einfach Vertrauen zu mir fasst. Whow.
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